Nr. 44 / Oktober 2000

Heilig Kreuz Kirche zu Wollersheim

Der Beginn eines großen Projekts
 
Grundsteinlegung vor 100 Jahren
10. Oktober 1900

Das unübersehbare Wahrzeichen von Wollersheim, eine der größten Kirchen im Umkreis mit einem 54 Meter Turm, verdankt seine Existenz einer besonders großzügigen Spende.
1867 verfügte notariell der 79jährige Junggeselle Josef Schmidt, ein reicher Landwirt aus Wollersheim und "Kirchenpräsident" der Pfarre, zwei Jahre vor seinem Tod, daß sein ganzes Vermögen (Haus und Hof Bachstraße 3) für den Bau einer neuen Kirche in Wollersheim zu verwenden sei. Josef Schmidt war der Letztlebende seiner Familie.
Mehr als 30 Jahre mußten danach noch ins Land gehen, bis nach Überwindung aller Schwierigkeiten mit dem Bau begonnen werden konnte. Schwierig und langwierig war die Umwandlung des geerbten und noch voll funktionsfähigen Bauernhofes in liquides Kapital, das man für den testamentarischen Zweck brauchte. Mit Genehmigung des Generalvikariates hat der Kirchenvorstand in den darauffolgenden Jahren Teile dieser zweckgebundenen Mittel an Privatleute gegen Hypothekeneintra- gung verliehen, um durch diese Zinseinnahmen den Baufond zu vergrößern.

Es gilt, sich eines wichtigen Datums vor 100 Jahren zu erinnern
Am 10. Oktober 1900 wurde der Grundstein der Neuen Kirche gelegt. Was sich an diesem Tag in Wollersheim genau getan hat, läßt sich nicht mehr feststellen. Wir haben auch keine Hinweise in der damaligen Presse gefunden. Aber warum haben die Zeitungen nichts berichtet?

Hätte Pfarrer Friedrich Schulte das Datum nicht in einer handschriftlichen Notiz festgehalten, wäre das Ereignis gar nicht überliefert.
Steht ein so gravierendes Ereignis heute nicht in der Zeitung, vermutet man sofort irgendwelche Hintergründe oder Absichten. Sollte das damals anders gewesen sein oder hatte der Kirchenvorstand die Presse einfach nicht unterrichtet oder eingeladen?

Ein Festakt wäre schon angemessen gewesen
Als wir uns mit dem Datum 10. Oktober 1900 befaßten, stellten wir zu unserer Überraschung fest, daß dieser Tag ein Mittwoch gewesen ist. Somit hat die Grundsteinlegung an einem ganz normalen Arbeitstag stattgefunden. Es gibt auch keine Hinweise auf einen "ersten Spatenstich", auf vermauerte Urkunden oder sonstige Gegenstände; auch ist die Lage des Grundsteins unbekannt und nicht überliefert.
So wie die Dinge sich uns heute darstellen, scheinen die Handwerker des Bauunternehmers Leonard Olbertz aus Morschenich bei Düren ohne viel Aufhebens an die Arbeiten gegangen zu sein. Offensichtlich hat kein Festakt stattgefunden. Entweder war es damals noch nicht üblich, eine solch nebensächliche Angelegenheit an die große Glocke zu hängen, oder man hat bewußt darauf verzichtet (Streit, Unstimmigkeiten?)

Der Bauplan stammte von einem renommierten Architekten aus Münster
Noch im Frühjahr 1900 versuchte das bischöfliche Generalvikariat eine Änderung des Bauplans, speziell des projektierten Turmes, von seiner Genehmigung abhängig zu machen. Daraufhin rief Bürgermeister Leonhard Herhahn, der auch stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes war, seine Mitkollegen Kaspar Tollmann, Engelbert Hoffsümmer und Werner Heinen zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um mit ihnen in einem Protokoll bei dem Kölner Generalvikariat gegen die Änderungswünsche energisch zu protestieren. Dem Pfarrer, der an dieser Sitzung demonstrativ nicht teilnahm und das auch zu Protokoll gab, gefiel der Turm offensichtlich auch nicht. Besonders verärgert war der Kirchenvorstand darüber, daß das bischöfliche Bauamt bereits vier eingereichte Baupläne für den Kirchenneubau verworfen hatte und jetzt, kurz vor der Grundsteinlegung, den Turm geändert haben wollte. Außerdem war man nicht mehr bereit, weitere Planungskosten zu zahlen.
Der Kirchenvorstand wollte einfach keine Änderungen mehr akzeptieren und an dem ursprünglichen Bauplan von Professor August Rinklake festhalten. Außerdem teilte man der Baubehörde unmißverständlich mit, man erwarte bei einer Änderung der Turmpläne, daß der Baumeister unter diesen Umständen auf die Bauausführung verzichten werde.
Auch die 12 Herren der kirchlichen Gemeindevertretung Johann Josef Cramer, Franz Josef Girkens, Matthias Hoffsümmer, Peter Lennartz, Winand Maubach, Andreas Meihs, Franz Nagelschmidt, Hubert Reuter, Heinrich Sistig, Peter Tollmann und Johann Zillken waren dieser Meinung.
Bereits einen Monat nach diesem "Aufstand" beschloß der Kirchenvorstand demonstrativ und ohne auf die vorherige Kontroverse einzugehen, noch im laufenden Jahr mit dem Bau der neuen Kirche beginnen zu wollen und Professor Rinklake die architektonische Leitung zu übertragen.

Offensichtlich hatten sich beide Gremien und auch die Dorfbevölkerung mit ihrem Wunsch, eine große Backsteinkathedrale im frühgotischen Stil zu bauen, durchgesetzt. Knapp ein Jahr nach Baubeginn, bessert der Kirchenvorstand die Baupläne nochmals nach und beschließt, auf den 4 Ecken des Turmes zusätzlich Türmchen bauen zu lassen. Wollte man damit etwa das Generalvikariat oder den Pastor ärgern?
Mit der Größe der Kirche hatte man sowieso seine Probleme. Nach unbestätigten Erzählungen soll der Turm ursprünglich quadratisch geplant worden sein. Weil aber der Bauplatz nicht ausreichte und man am Haupteingang Bachstraße noch Platz benötigte, soll der Turm auf die heutige schmale Form reduziert worden sein. Trotz dieser Maßnahme fehlten dann immer noch ca. 2 Meter in der Grundstückslänge, die dann von der Inhaberin des Stifthofes zu Lasten ihres Vorgartens beigesteuert wurden.

Große Kirche, kleines Dorf
Im Vergleich zur Größe des damaligen Dorfes war der geplante Neubau schon mehr als überdimensional. Um die Jahrhundertwende war das Kerndorf sehr viel kleiner als heute. Ober- und Unterdorf endeten damals weit vor der heutigen Ortsgrenze. Die Bürvenicher Straße war kaum bebaut, und die Neubaugebiete rund um das Dorf gab es noch nicht.

Ziegelfeld war am Seckpözje
Viele Ziegelsteine für die späteren Neubauten im Ort sollen auch aus der Produktionsanlage am Oberbach stammen. Die Anlage wurde für den Bau der Neuen Kirche um 1898 im Auftrag des Kirchenvorstandes von Hubert Heinen und Matthias Hoffsümmer eingerichtet. Unter deren Leitung wurde die Zieglerfamilie Schiffer aus Lich-Steinstraß engagiert, die während ihrer Zeit in Wollersheim auch auf dem Ziegelfeld wohnte. Die Zieglerfamilie war mit ihrem Gehilfen zunächst nur für die Herstellung der Rohlinge verantwortlich. Die Aufstellung der Rohlinge zu einem Ofen und das Brennen derselben oblagen dem Ziegelmeister Bläser.
Nach ständigem Ärger mit dem Pfarrer, der auf Menge und Qualität der Ziegelproduktion Einfluß nehmen wollte, muß Hubert Heinen die Ziegelei in eigener Regie weitergeführt haben und seine Ziegel dem Kirchenvorstand verkauft haben. Auch die Firma Olbertz scheint an der Produktion bzw. an der Wartung der Öfen beteiligt gewesen zu sein.

Die Ziegelsteine wurden im Feldbrandverfahren hergestellt
Die Produktion der Backsteine fand, wie damals üblich, dort statt, wo der Lehm gestochen wurde. Nach Zugabe verschiedener Sandarten wurden aus dem so genannten "Kuchen" die Rohlinge geformt. Diese Arbeit fand üblicherweise im Frühjahr statt, im Sommer wurden die Rohlinge an der Luft getrocknet und im Herbst gebrannt. Nach den vorhandenen Aufzeichnungen müssen die Ziegler für die Neue Kirche mindestens zwei "Öfen" betrieben haben. Ein "Ofen" war die Bezeichnung für viele mannshoch aufgeschichtete lange Reihen trockener Rohlinge. Besonders arbeitsaufwendig war es, auch bei schlechter Witterung die Rohlinge vor Nässe zu schützen. Zwischen den Reihen wurden Feuerungskorridore freigelassen, in die zerstückelte Kohle verfüllt wurde. Nachdem man das Ganze mit verschieden Materialien ummantelt hatte, sah der fertige Ofen dann wie ein langgestreckter Holzkohlenmeiler aus.

Baustelle wird eingerichtet
Anfang September 1900, etwa einen Monat vor der Grundsteinlegung, mußte die Baustelle funktionsfähig gemacht werden. Zunächst mußte das Gelände von Sand, Schutt und Steinen gereinigt werden. Der Unternehmer ließ ein Baubude bzw. ein "Abort" errichten und verlegte eine Wasserleitung zum Bauplatz. Die damalige Besitzerin des Stiftshofes, Eva Maria Reuter, geborene Trimborn, vermietete neben einigen Zimmern in ihrem Wohnhaus auch ihr Sälchen. Die Räume dienten als Baubüro, als Aufenthaltsraum für die Bauarbeiter sowie als Lagerraum für witterungsempfindliche Baumaterialien. Außerdem trat Frau Reuter einen etwa 2 Meter breiten Streifen ihres Vorgartens der Pfarrgemeinde ab, weil das Baugrundstück nicht lang genug war. Als Gegenwert erhielt Frau Reuter auf der neuen Grundstücksgrenze einen neuen Zaun und für sich persönlich einen direkten Zugang mit Törchen zum Kirchengrundstück.
Nach all diesen Vorarbeiten, nach der Säuberung der Sandgrube und der Zufahrten zu den Ziegelfeldern, konnte dann endlich am 10. Oktober 1900 der Grundstein gelegt werden.

Weitere interessante Einzelheiten können Sie in einem Buch nachlesen
Die vollständige Baugeschichte der Neuen Kirche wird in dem Buch "Die Neue Kirche zu Wollersheim", das der Geschichtsverein vor einiger Zeit herausgegeben hat, beschrieben.
Das Buch ist im Pfarrbüro zum Preise von DM 10,-- erhältlich.




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