Nr. 53 / Februar 2006
 
Ein Rohstoff für den Trank der Götter
Braugerste aus der Eifel

Albert Grein

Neben Wasser und Milch kann man Bier als eines der ältesten Getränke der Menschheit bezeichnen. Bei den meisten Völkern der Welt wurden schon frühzeitig aus zucker- und stärkehaltigen Stoffen alkoholische Getränke hergestellt. Die Kunst des Bierbrauens war schon seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. den Menschen aus Mesopotamien bekannt. Sie hatten eine regelrechte „Braukunst" entwickelt, indem sie zahlreiche unterschiedliche Biersorten brauten. Vom Zweistromland aus verbreitete sich das Bierbrauen zu den alten Völkern des Orients bis in den Mittelmeerraum. Auch Griechen und Römer waren begeisterte Biertrinker geworden. Den germanischen Völkern war ebenfalls neben Met das Bier und die Kunst seiner Herstellung bekannt. Als Kultgetränk diente es den Königen bei ihren religiösen Zeremonien. Zur Geschmacksverbesserung wurden immer schon die unterschiedlichsten Stoffe von Baumrinde über Gewürze bis hin zum Hopfen verwendet. Als Bier kann man im weitesten Sinne alle Getränke bezeichnen, die sich aus stärkehaltigen Rohstoffen entwickeln und nicht destilliert werden, um den Alkoholgehalt zu konzentrieren.

Im Verlauf der Biergeschichte hat man mit vielerlei stärkehaltigen Rohstoffen experimentiert. In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 14. 03.1952 das Deutsche Biersteuergesetz verkündet. In seinen § 9 und 10 ist geregelt, dass Bier nur unter Zusatz von Gersten- oder unter Zusatz von Weizenmalz hergestellt werden darf und strengen lebensmittelrechtlichen Vorschriften unterliegt. Hier findet auch das oft zitierte Reinheitsgebot von 1516 seinen Niederschlag.
In den nördlichen Bundesländern finden wir im Gegensatz etwa zu Bayern vorwiegend Biere, die auf der Grundlage von Gerstenmalz gebraut werden. Diese Getreideart und zwar die zweizeilige Sommergerste (Hordeum distichon, Vegetationszeit ca. 100 Tage) hat sich wohl in jahrhundertelanger Erfahrung als bester Rohstoff erwiesen.

Vom Vennfuß bei Aachen im Westen, etwa in den Höhenlagen bis ca. 400 m, zieht sich der Braugerstenanbau entlang des Nordeifelrandes bis in den Raum Münstereifel im Osten. Dabei findet man vereinzelt über dieses Gebiet hinaus Anbauflächen sowohl in der Börde als auch in den Höhenlagen der Eifel.

Als Kernanbaugebiet dieses edlen Getreides kann man allerdings den südlichen Kreis Düren um Nideggen, Berg, Wollersheim, Vlatten, Hergarten bis hin in das Mechernicher Land bezeichnen. Hier handelt es sich um das kleinste Anbaugebiet in Deutschland, wobei jährliche bundesweite Qualitätsvergleiche auch heute noch den Bauern aus dieser Region viele Preise und Auszeichnungen einbringen.

Der wichtigste Rohstoff für die Bierherstellung ist das Malz. Qualitätsbraugerste muss eine Keimenergie von mehr als 95 % aufweisen. Die Gerste wird in der Mälzerei so lange mit Wasser versetzt, bis sie einen Feuchtigkeitsgehalt von 40 - 50 % aufweist. Dabei entwickeln sich bei Temperaturen von ca. 15° Celsius in 4 bis 7 Tagen die Blatt- und Wurzelkeime. Dieser Ablauf wird dann durch den Darrprozess gestoppt. Der Mälzer führt diese Trocknung der gekeimten Gerste in zwei Gängen durch, zunächst bei Temperaturen um etwa 50° C. Danach werden diese für 3 - 4 Std. auf 80° C. und darüber hinaus hochgefahren.

Das Mälzen ist eine hohe Kunst, geprägt durch Wissen und Erfahrung, vergleichbar mit der Kunst des Bierbrauens. Der Mälzer liefert dem Brauer den Rohstoff, der letztlich über Geschmack und Haltbarkeit des Endproduktes Bier entscheidet. Das Malz kann aber nur so gut gelingen wie der Ausgangsstoff Braugerste es hergibt.

Wenn man sich mit der Geschichte des Braugerstenanbaus in der Voreifel beschäftigt, so trifft man immer wieder auf die günstigen klimatischen Bedingungen in diesem begrenzten Anbaugebiet. Die mittleren Tagestemperaturen liegen während der Vegetationszeit zwischen 13°C. und 15°C. Das langjährige Mittel der Niederschläge zeigt im gleichen Zeitraum 180 - 200 mm. Die Böden als Grundlage der Vegetation sind in ihrem geologischen Ursprung durch den Muschelkalk und den oberen, mittleren und unteren Buntsandstein charakterisiert. Diese Befunde bilden also die Grundlage für den Anbau der Braugerste mit hohem Qualitätsstandard im Anbaugebiet Voreifel.

In der „Zülpicher Zeitung" vom 12.09.1896 finde ich einen Bericht „Saatzucht- und Braugerstenausstellungen" in Köln bzw. Euskirchen. Hier wird über die Zucht- und Anbaugebiete der Braugerste unterrichtet. Weiterhin geht aus dem Artikel hervor, dass man sich offensichtlich schon vor 1896 recht intensiv mit „gutem Gerstenboden", also Standortbedingungen und richtiger d.h. qualitätsorientierter Sortenwahl beschäftigt hat. Durch diese langjährigen Forschungen, die von der Landwirtschaftskammer Rheinland bis in die Gegenwart fortgesetzt werden, ist die Qualität der Braugerste stetig durch gezielte Auswahl der Sorten verbessert worden. Dies führte in der Voreifel dazu, dass sich hier praktisch schon seit Jahrzehnten ein Sortenreinheitsgebiet, also eine Beschränkung auf wenige Sorten der Braugerste entwickelt hat.

Wie im Weinbau, im Waldbau oder in der Pferdezucht zeigte sich auch im Bewusstsein der Braugerstenbauern der Stolz auf ein gutes Produkt, welches durchaus in den Rang eines Kulturgutes aufstieg. In der oben genannten Zülpicher Zeitung von 1896 wird schon darüber berichtet, dass erfolgreiche Braugerstenbauern aus Wollersheim, VIatten bzw. Roggendorf für ihre Leistungen mit Preisen und Auszeichnungen bedacht wurden. Diese Tradition wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung des Braugerstenanbauvereins Voreifel wieder aufgenommen und seit über 50 Jahren fortgeführt. Jedes Jahr im Herbst findet im Wechsel zwischen Zülpich, Gemünd und Euskirchen die Braugerstenausstellung statt. Die Anbauer haben dazu ihre Gerstenproben schon viele Wochen vorher hinterlegt. Diese werden dann von Fachleuten anonym einer langwierigen sensorischen und chemischen Analyse unterzogen und bewertet. Das gefundene Ergebnis wird als Punktbewertung festgehalten. Daraus ergibt sich dann die Zuteilung von Preisen und Auszeichnungen. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie ein stolzes und zufriedenes Lächeln über die Gesichter der Ausgezeichneten huscht. Bei frischem Bier aus der Eifel und gutem Essen klingt ein solcher Tag in Fachgesprächen über Sorten, Qualität und Marktsituation aus. Dabei werden die Sorgenfalten tiefer, denn im Rahmen dessen, was wir abstrakt mit dem Begriff Globalisierung umschreiben, wissen die Bauern genau, dass trotz ihrer vielfältigen Anstrengungen und Bemühungen auch bei der Braugerste ein Preisverfall eingetreten ist, weil die Einkäufer der Malzindustrie weltweit agieren. Ebenso hat eine rigorose Bereinigung in der deutschen Brauereiwirtschaft und Malzindustrie stattgefunden. Die Anforderungen an Eiweißgehalt, Keimfähigkeit und Stammwürze sind deutlich strenger geworden. Das alles hat zur Folge, dass die Anbauflächen von Braugerste in der Voreifel auf etwa 20 % der Anbauflächen von 1960 reduziert wurden. Meiner Meinung nach bleibt die Frage offen, ob dies nun alles dem Wohle des Verbrauchers zuträglich ist. Dessen kann der Verbraucher sich allerdings sicher sein: Ein gut gezapftes deutsches Bier, welcher Sorte auch immer, ist ein Stück Genuss, ein altes Kulturgut, das fröhlich macht, das die Menschen Verständnis, Offenheit und Toleranz füreinander entwickeln lässt, es gehört, natürlich in Maßen, zu unserem Leben. Ein bisschen Wehmut sollte einen allerdings auch beschleichen, wenn man daran denkt, dass die Gerste für das Malz vielleicht nicht mehr in unserer schönen Voreifel gewachsen ist.

Quellenhinweise:

Dr. Schlitt: Aus der Arbeit der Landwirtschaftsschule und der Wirtschaftsberatungs- stelle Düren, 1967

Dr. Siebeneick: 150 Jahre Landwirtschaft im Kreise Düren, 1967

Prof. Dr. G. Fischbeck: Der Braugerstenanbau in der Voreifel, Univ. Bonn,
Erschdt. unbek.

Jakob Gerhards: Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte des Dürener Landes, 1960

Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz, Bd. 25. 1974, Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern

Archiv des Geschichtsvereins Wollersheim e.V.





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