Nr. 56                                                                                               Mai 2008

Stiftung Schmidt, Immobilienverkauf 1876
(von Hans Henn)





Am 13. Oktober 1869 verstarb der Ackerer und Kirchenraths-Präsident Joseph Schmidt. Da er keine Nachkommen hinterließ, vermachte er unter Aussonderung verschiedener Legate sein gesamtes Vermögen der Pfarre Wollersheim zum Bau
einer neuen Kirche.

Als Beneficiar (Inhaber) ließ die Katholische Pfarre 1871 die Ländereien versteigern. 1873 folgten zwei Bauernhöfe in Wollersheim und Vlatten. Die Niederschrift des Notars darüber beginnt:


Wir
Wilhelm
von
Gottes Gnaden
König von Preußen
Thun kund und fügen hiermit zu wißen, daß:
Unser nachbenannter Notar folgende Urkunde
aufgenommen hat:
No 541 Rep.
Verhandelt zu Wollersheim im Kreise Düren in
der Wohnung des Wirths Carl Cramer daselbst
heute Mittwoch den acht und zwanzigsten Mai
achtzehnhundert drei und siebenzig, Nachmittags
ein Uhr.



Der "instrumentierende" (ausführende, handelnde) Königlich Preußische Notar Johannes Funck aus Nideggen erläuterte zunächst die Verkaufsbedingungen. Er wies auf die Ermächtigung der hohen erzbischöflichen Behörde zu Cöln und den Rats- kammerbescheid des Königlichen Landgerichts zu Aachen hin. Er "constatirte" (konstatieren=feststellen), dass der Versteigerungstermin durch zweimaliges Anheften
an den vom Gesetz bezeichneten Stellen, im Dürener Anzeiger und Unterhaltungsblatt am 15.3. und 26.4.1873 und in ortsüblicher Weise durch Ausschellen bekannt gemacht wurde.

Für die Kirchenverwaltung waren der Rentner Hermann Joseph Heinen als Präsident, der Ackerer Theodor Heinen als Rendant und der Landwirth und Brauereibesitzer Johann Cramer als Mitglied der Kirchenverwaltung anwesend.

Bevor der Notar um 13.00 Uhr zur Versteigerung schritt, stellte er fest, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt seien und "die zu diesem Verkaufe bestimmte Stunde gekommen" sei. Dann las er den Kauflustigen laut und deutlich die Verkaufsbedingungen vor.

Das Anwesen in Wollersheim lag "Im Dorf" neben Peter Pesch und Wilhelm Titz. Wohnhaus mit Hofraum, Stallung und Scheune waren 5 Ar und 77 Meter oder 40 Ruthen, 70 Fuß groß. Der Hausgarten wurde mit 14 Ar, 88 Metern oder 104 Ruthen, 90 Fuß angegeben. Der Taxwert betrug 1500 Thaler. Bei der Versteigerung erhielt der Ackerer Johann Veithen aus Wollersheim den Zuschlag für das Meist- und Letzt- angebot von 1500 Thalern, wobei drei nacheinander angezündete Kerzchen, von denen jedes wenigstens eine Minute gebrannt, erloschen, ohne dass ein Mehrgebot erfolgte.

Das in Obervlatten gelegene Wohnhaus mit Hofraum, Scheune, Stallung und Garten wurde zu einem Taxwert von 100 Thalern angeboten. Zu diesem Betrag ersteigerte der Kleinhändler Johann Küpper aus Vlatten das Anwesen. Der Flächeninhalt betrug 2 Ar, 21 Meter oder 15 Ruthen, 60 Fuß.

Der geringe Taxwert der Immobilie in Vlatten dürfte auf eine Festlegung im Testament des Joseph Schmidt zurückzuführen sein. Danach stand dem Ackerer Johann Thelen aus Vlatten und seiner Ehefrau bzw. dem Letztlebenden die lebenslängliche Nutz- nießung zu. Selbst Versicherungsgelder, Steuern und Gemeindelasten hatte der Ansteigerer ab l. Januar 1874 zu tragen.

Die Verhandlung wurde nachmittags gegen halb drei Uhr beendet. Dem Verkaufe lagen insgesamt acht Bedingungen zugrunde. Die Zahlungsmodalitäten, die Höhe der Zinsen, die Kostenverteilung der Versteigerung, die Stellung eines notorisch zahlungs- fähigen Solidarbürgen und der Eigentumsübergang waren festgelegt. Ein Teil der Paragrafen mutet uns heute etwas seltsam an. Besonders Artikel sieben verleitet zu einem Lächeln, denn er lautete:

"Sollten sich im Beringe (Umkreis) der Realitäten unter Wollersheim in der Erde oder auch in den Räumlichkeiten Geld oder sonstige, den Gebäuden, respective dem Areal an sich fremde Werthobjecte vorfinden, so sind diese der Kirchenkasse auszu- antworten. Die Versteiglasserin findet sich zu dieser Bedingung durch den Umstand veranlaßt, daß der Erblasser, wie sich bei der Siegel Abnahme erwiesen, das Geld in der Erde und sonstwie zu verstecken pflegte" .

Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass es um die Mitte des 19. Jahrhunderts in erreichbarer Nähe keine Banken oder Sparkassen gab. Der Wollersheimer Spar- und Darlehnskassenverein e.G.m.u.H. wurde erst am 2.1.1896 gegründet.
 


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