Was so in den letzten 100 Jahren geschah
- eine nicht ganz vollzählige Aufzählung -

Als vor 100 Jahren der Rohbau der Kirche so weit fertig gestellt war, konnte man den 54 Meter hohen Turm nicht nur kilometerweit sehen, sondern die jahrhundertealte Silhouette des Dorfes hatte sich auch stark verändert. Kein Wunder, dass die Bevölkerung der umliegenden Ortschaften der neuerbauten Kirche voller Anerkennung den Namen „Eifeldom“ gab; immerhin überragte sie mit ihrem Kirchturm alle Kirchtürme im weiten Umkreis. Viele neue Kirchenbauten in der Umgebung Der Bau der Kirche war für Wollersheim einmalig und von großer Bedeutung. Nach dem Kulturkampf blühte überall der allgemeine Kirchenbau, der Jahrzehnte lang völlig brach gelegen hatte, regelrecht wieder auf. Es entstand, auch im Erzbistum Köln, ein regelrechter Bauboom. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft entstanden nach Angaben des damaligen Pfarrers Schulte eine ganze Reihe neuer Kirchen. Zwischen „Ende der 1880er und in den 1890er Jahren“ entstanden neue Kirchen in: Winden, Mariaweiler, Echtz, Arnoldsweiler, Merzenich, Golzheim, Buir, Langendorf, Schwerfen, Floisdorf, Rövenich, Enzen, Ülpenich und Nemmenich. Erweitert wurden die Kirchen in Ginnick, Hergarten und Nideggen.

Wie die Kirche einen so schlanken Turm bekam
Nach langer Planung hatten sich Pfarrer und Kirchenvorstand zwar für den Plan eines großen Kirchengebäudes von Prof. Rinklake entschieden, der musste allerdings den Plan nochmals überarbeiten, weil das große Gebäude nicht auf die vorhandene Parzelle passte, zumal das Grundstück nicht lang genug war. Es ist anzunehmen, dass nach dieser Überarbeitung der ursprünglich geplante rechteckige Turm deutlich schmäler ausgefallen ist. Aktenkundig ist diese Änderung allerdings nicht. Die Anpassung des neuen Bauplans an das Grundstück dürfte wohl der Grund sein, warum die Wollersheimer Kirche so einen extrem schmalen Turm erhalten hat. Kurze Zeit vor dem Wollersheimer Auftrag hatte Prof. Aug. Rinklake den Bau und den Entwurf der Kirchen in Hohensalza (Polen) und Ramsloh (Ostfriesland) abgeschlossen. In der Fachliteratur wird besonders darauf hingewiesen, dass die Wollersheimer Kirche und die beiden vorgenannten Kirchen sich stark gleichen. Es wird vermutet, dass den drei Plänen das gleiche Grundmodell zugrunde liegt. Im zeitlichen Werkverzeichnis von Rinklake steht die Wollersheimer Kirche am Schluss. Das Kirchengebäude in Ramsloh ist mit der Wollersheimer Kirche bis auf nur einige Details stark verwandt und sieht ihr verblüffend ähnlich, allerdings haben die Kirchen in Ramsloh und in Hohensalza rechteckige Türme.

Das gestiftete Geld reicht nicht
Nach Fertigstellung des Rohbaues mussten die Bauherren feststellen, dass das vorhandene Geld voraussichtlich nicht reichen würde. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Der Pfarrer nennt als Grund die Behebung von Baumängeln, es kann aber auch an dem Beginn einer allgemeinen Teuerung oder auch Mängel in der Kalkulation gewesen sein. Jedenfalls waren zwischen 1902/3 zeitweise die endgültige Fertigstellung das Baues und die Inneneinrichtung finanziell sehr gefährdet. In der heutigen Zeit ist man an solche Überschreitungen des Bauetats gewöhnt, damals war eine 10prozentige Überziehung der Plansumme für ein kleines Dorf, ein Desaster. Immerhin waren die Mittel aus der Stiftung Schmidt für den Bau fast aufgebraucht. Um den Bau aber endgültig fertigstellen und entsprechend möblieren zu können, musste dann 1903, kurz vor der Einweihung, ein Darlehen von 12.000 Mark bei der Landesbank aufgenommen werden. Hier ging man dann allerdings besonders vorsichtiger vor; mit der Bank wurde eine jährliche Tilgung von nur 2 ¼ % (44 Jahre) vereinbart. Bei der Endabrechnung der Baukosten und der Innenausstattung kam die Gesamtsumme auf knapp 125.000 Mark (Goldmark); umgerechnet über den heutigen Lebenshaltungsindex sind das rund 1,3 – 1,4 Mio. Deutsche Mark (sehr preiswert!).

Geld für die Innenausstattung wird knapp
Schon vor dem Jahre 1902 schien es mit der Innenausstattung des neuen Hauses recht mager auszusehen. Damals musste der Definitor des zuständigen Dekanates Nideggen, Pfarrer Rolauf aus Berg, in seinem Visitationsprotokoll der erzbischöflichen Behörde in Köln mitteilen, „dass es mit der inneren Ausstattung der neu erbauten Kirche zu Wollersheim übel bestellt sei“. Es musste also bei dem Neubau energisch gespart werden. Die beiden ersten eingeleiteten Sparmaßnahmen gingen prompt daneben. Für das Umhängen der Glocken wurde ein ortsansässiger Schmidt beauftragt, und den Umbau der alten Orgel sollte ein Orgelbauer aus Bürvenich erledigen; beide Projekte wurden gegen den ausgesprochenen Willen des Pfarrers Schulte beschlossen. Die Glocken wurden zwar in die neue Kirche transportiert und aufgehangen, konnten aber fast ein Jahr nicht geläutet werden. Erst als eine Spezialfirma eingeschaltet wurde und ein eisernen Glockenstuhl in Auftrag gegeben wurde, konnten die Glocken fachgerecht aufgehangen und geläutet werden. Es entstanden Mehrkosten, über die man noch lange gestritten hat. 60 Jahre später stellte sich heraus, dass der Glockenstuhl auch nicht taugte, weil die falsch aufgehangen Glocken den schmalen Turm wackeln ließen. Auch der Umbau der Orgel kam teurer als gedacht. Der Pfarrer berichtet in der Chronik, dass er dafür auch eine neue Orgel hätte bekommen können.
Finanziell nicht eingeplant waren auch einige größere Reklamationen bei den Baufirmen. Schon ein Jahr nach der Einweihung stellten sich am Dach des Mittelschiffes gravierende Mängel ein, deren Behebung Zusatzkosten verursachten. Auch der hohe Kirchturm musste durch eine teure Blitzableiteranlage gesichert werden. Bis zur endgültigen Installation dieser Anlage dauerte es dann noch bis 1910. Nicht so teuer, aber dennoch gravierend, war 1906 die elektrische Erstausstattung der Kirche, nachdem das Dorf an das elektrische Stromnetz angeschlossen worden war.

Die Innenausstattung war eine jahrzehntelange Aufgabe
Die Kirchenmöbel sollen über ihre Funktion hinaus einen nicht unwesentlichen Bestandteil der inneren Kirchenarchitektur darstellen. Pfarrer und Kirchenvorstand wollten, dass der Neubau aus einer Hand geplant werde und gaben schon 1901 Prof. Rinklake den Auftrag, neben den Bauplänen auch die Kirchenmöbel (Hochaltar, Kommunionbank, Seitenaltäre, Kanzel, Kirchenbänke und Sakristeieinrichtung) zu entwerfen. Die Kirchenmöbel sollten sich möglichst stilistisch dem gesamten Baustil einordnen. Unverständlich, finanziell aber zu verstehen war, dass schon bei der Planung der Innenausstattung das Generalvikariat in Köln darauf bestand, dass das Chorgestühl der Alten Kirche in der Neuen Kirche aufgestellt werden solle. Das alte Gestühl, das 1800 in der napoleonischen Zeit aus Köln nach Wollersheim kam, war damals den engen Platzverhältnissen in der Alten Kirche entsprechend angepasst und zugeschnitten worden. Pfarrer, Kirchenvorstand und kirchliche Gemeindevertretung waren sich nach Fertigstellung der neuen Kirche darin einig, dass diese „verstümmelten Möbel“ nicht in die neue Kirche passen würden und lehnten vehement den Plan ab, sie dort aufzustellen. Nach vielen Querelen und nachdem Monsignore Schnüttgen den Ankauf des alten Gestühl für sein Museum ermöglichen konnte, konnte dann erst 1908 und 1909 in zwei Tranchen das heutige Chorgestühl bei dem Aachener Bildhauer Gustav Dunstheimer in Auftrag gegeben werden. Auch Bauherr Pfarrer Schulte wollte zur Verschönerung der Neuen Kirche beitragen. Er beauftragte den Kunstmaler M. Emonds-Alt aus Aachen, ein großes Ölgemälde „Kreuzauffindung“ zu malen, das er im September 1910, am Feste Kreuzerhöhung, feierlich in der Kirche aufhängen ließ. Heute hängt das Bild im linken Seitenschiff an der nördlichen Außenwand.
Stiftungen für liturgische Einrichtungen hatten in Wollersheim eine lange Tradition. Der aus dem 13. Jh. stammende Korpus vom Hochaltar der alten Kirche sollte an einer dominierenden Stelle in der Neuen Kirche einen neuen Standort finden. Die erforderlichen Schnitzarbeiten für das große monumentale Triumphkreuz, das im Chor in Richtung Langhaus an einer Kette gehängt werden sollte, wurde von den Geschwistern Leo und Katharina Herhahn gestiftet. Auch die Neurahmung des Bildes „Mutter des guten Rathes“ von 1772 wurde von den Geschwistern Herhahn gestiftet.

Turmuhr wird angeschafft
Nach den vielen, zum Teil nicht eingeplanten Ausgaben für die endgültige Fertigstellung der Kirche, waren die finanziellen Mittel der Gemeinde erschöpft. Schließlich musste 1910 der Kirchenvorstand beschließen, „die Anschaffung einer Turmuhr auf bessere Zeiten“ zu verschieben. Erst 3 Jahre später (1 Jahr vor dem 1. Weltkrieg) konnte die Uhr dann bestellt werden.

Weltkrieg 1914 – 1918
Im vierten Kriegsjahr mussten im Juni 1917 die zwei schwersten Bronzeglocken für die Rüstungsindustrie abgeliefert werden.
Nachdem die Glocken nur 14 Jahre in der neuen Kirche gehangen hatten, mussten sie oben in der Glockenkammer eigenhändig zerschlagen werden. Mit viel Mühe mussten die Stücke auf den Leitern und Treppen hinunter getragen werden (Pfarrchronik). Auch wurde die Pfarre verpflichtet, den Blitzableiter abzumontieren und abzuliefern. Nach Ende des Krieges baute die englische Dauereinquartierung rund um die Kirche Verpflegungsbaracken auf und nutzte das ganze Kirchengelände als Lager. Ein Jahr nach dem Krieg wurde für die gefallenen Soldaten in der Kirche eine würdige Gedächtnisstätte errichtet. Die Bevölkerung stiftete eine aus Holz geschnitzte schmerzhafte Mutter Gottes, und die Mitglieder des hiesigen „Spar- und Darlehnsvereins“ stifteten 1.200 Goldmark für zwei Gedenktafeln. Weil „Pissenheim“ damals zur Wollersheimer Pfarre gehörte, wurden auch die Krieger der Filialkirche auf den Gedenktafeln aufgeführt. Die Gedenkstätte wurde 1919 in der Kirche eingeweiht.

Pfarrer Hanrath
Warum der frisch ernannte Pfarrer als erste Amtshandlung 1923 einen diebessicheren Tabernakel angeschafft hat, ist leider nicht überliefert. Kurze Zeit später sorgte er sich um Ersatz für die abgelieferten Glocken. Er schrieb damals: „während der Inflation wäre die Beschaffung ein leichtes gewesen, jedoch immer traten neue Schwierigkeiten auf, da die Einwohner, die so leicht an die neue Kirche gekommen waren, nichts mehr von Opfern hielten“. Nur mit vielen Mühen gelang es dem Pfarrer durch persönliche Bittgänge, die Mittel für zwei Stahlglocken zusammen zu bringen. Ende September 1924 wurden die Glocken mit den Tönen e und g konsekriert. Damit hatte die Kirche wieder ein vollzähliges Geläut. Ein neue Fahne bekam die neue Kirche im Nov. 1927. Nach einer Spendensammlung konnte Pfarrer Hanrath die Fahne der heiligen Familie anschaffen.

Außenanlagen
Anfang 1928 nahm Pfarrer Hanrath das nächste Objekt in Angriff. Nach Ende des Neubaues und nach der Nutzung durch die Engländer waren die Außenanlagen der Kirche noch immer in einem desolaten Zustand. Pfarrer Hanrath organisierte mit der Dorfjugend die gärtnerische Gestaltung des früheren Bauplatzes in Eigenleistung. Auch der Pfarrer soll tatkräftig mitgeholfen haben.

Diamantenes Priesterjubiläum
Für das große Jubiläum von Pfarrer Schulte i.R. hatten sich vermutlich alle vorgenommen, die Kirche mit einer großen Kraftanstrengung endlich so fertig zu stellen, wie sie ursprünglich geplant worden war. Nach Inflation und der Vernichtung großer Vermögen war die Spendenbereitschaft der Bevölkerung nicht mehr sehr groß. Für den Pfarrer war es schwer, die Gemeinde zu Spenden zu animieren. Zunächst sollte die Kirche ausgemalt werden. Pfarrer Hanrath fand beim Kirchenvorstand keine Unterstützung, so dass der Pfarrer sich verpflichten musste, nur durch freiwillige Gaben die Kosten der Ausmalung zu decken. Persönlich ist Pfarrer Hanrath von Haus zu Haus gegangen, um eine Gaben zu erbetteln. Im Sommer 1929 fand dann die Ausmalung durch den akademischen Kirchenmaler Peter Köp aus Köln statt. Die Kirche konnte sich dann bei der Feier des 60jährigen Priesterjubiläums von Pfarrer Schulte, der seit 1922 schon im Ruhestand lebte, am 26. August 1929 in ihrem Festgewand zeigen.

Weltkrieg 1939-1945
Auch die dritte und letzte Bronzeglocke (Medardi 1877) muss im Rahmen einer staatlich angeordneten Zwangsablieferung im Januar 1942 abgeliefert werden. In den letzten Kriegsmonaten entstanden noch viele Schäden an der Kirche. Ein Granateinschlag zerstörte im Turm Fenster und Orgel. Im Gewölbe entstanden große Risse, alle Fenster waren zerstört.

Das große Aufräumen
Die Schäden an der Kirche waren so groß, dass nach Rückkehr der Flüchtlinge 1945 die Kirche für alle öffentlichen Veranstaltungen gesperrt werden musste. Bis 1948 fanden die Gottesdienste in der Notkirche bei Stupp statt. Erst im Jahre 2000 konnte die sachgerechte Beseitigung der Kriegsschäden abgeschlossen werden. Trotz der allgemeinen Notlage musste 1945/46 zunächst das Notwendigste, das meiste zum Teil in Eigenleistung, erledigt werden. In diesem Zusammenhang musste das Kirchenschiff völlig mit Bleiplatten neu eingedeckt werden. Die Turmuhr erhielt neue Ziffernblätter, und im Mai 1948 konnte die Gemeinde feierlich ihre abgelieferte Bronzeglocke im Düsseldorfer Hafen wieder in Empfang nehmen. Das Geläut war wieder Gott-sei-Dank vollzählig.

Neueinzug
Nach Beseitigung der vielen Kriegsschäden konnte die Gemeinde bereits im Juli 1948 die Kirche wieder beziehen. Zwei Monate später lobte Kardinal Frings bei seiner Visitation die Aufbauleistung der Gemeinde. Um eine neue Orgel kaufen zu können, mussten Gemeinde und Pfarrer Helmich noch ca. 6 Jahre warten. Die Orgel musste über Spenden eigenfinanziert werden. Erst im Jahre 1954 konnte eine neue Orgel eingeweiht werden.
Keine 5 Jahre später (1960) stand der Gemeinde wieder eine große Reparatur ins Haus. Die Glocken schwingen in die verkehrte Richtung (Ost/West). Zur Vermeidung von Schäden erhält der Turm einen neuen Glockenstuhl aus Holz; die Glocken werden umgehangen und läuten jetzt in Nord-Süd-Richtung. Wegen der Schwingungsschäden müssen auch die Fialtürmchen rechts und links an den Außenecken des Kirchendachs abgetragen werden. Bei den Renovierungen im Turm werden neben einer neuen Läuteanlage auch eine neue Turmuhr installiert.

Neuzeit bis heute
Endlich nach über 60 Jahren erhält die Kirche 1965 eine moderne Ölheizung. Heizung und Tank kommen in den Keller der „Messdiener Sakristei“. Die neuen Rohre und Lüftungsschächte machen den Abbruch des linken Seitenaltars erforderlich. Auch muss der Fußboden aufgerissen und mit neuen Platten versehen werden. 1976 erhalten das Chor und Kirchenschiff neue Buntfenster. Die Chorfenster werden von Herb. Schiffer entworfen. Ein Explosion in der benachbarten Fleischerei zerstört 1983 im unteren Bereich des Turmes alle Fenster. Bereits ein Jahr später stiftet Prälat Creder der Gemeinde für alle zerstörten Fenster neue bunte Glasfester. Er stiftet ein schmiedeeisernes Gitter für den Turmabschluss im Inneren der Kirche und lässt alle Apostelleuchter neu gießen. Vorläufiges Ende der großen Veränderungen ist die Aufstellung des Volksaltars vor dem Chor auf einer besonderen Bühne 1988 und die Aufstellung der geteilten renovierten Kommunionbank. Ab 1991 wird die Kirche in der Weihnachtszeit von besonders installierten Hochdruck-Lichtflutern mit Gelblicht angestrahlt. Jetzt kann man auch in den Wintermonaten bei Dunkelheit die angestrahlte Wollersheimer Kirche von Weitem sehen.

Weitere Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserem Buch „ Die Neue Kirche zu Wollersheim“, Preis 5 €, Pfarrbüro Wollersheim.

Läuten und Beiern



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