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Grundsteinlegung vor 100 Jahren
10. Oktober 1900
Das unübersehbare Wahrzeichen von Wollersheim, eine der größten
Kirchen im Umkreis mit einem 54 Meter Turm, verdankt seine Existenz
einer besonders großzügigen Spende.
1867 verfügte notariell der 79jährige Junggeselle Josef Schmidt, ein
reicher
Landwirt aus Wollersheim und "Kirchenpräsident" der Pfarre, zwei
Jahre vor seinem Tod, daß sein ganzes Vermögen (Haus und Hof
Bachstraße 3) für den Bau einer neuen Kirche in Wollersheim zu
verwenden
sei. Josef Schmidt war der Letztlebende seiner Familie.
Mehr als 30 Jahre mußten danach noch ins Land gehen, bis nach
Überwindung
aller Schwierigkeiten mit dem Bau begonnen werden konnte.
Schwierig und langwierig war die Umwandlung des geerbten und noch
voll funktionsfähigen Bauernhofes in liquides Kapital, das man für den
testamentarischen Zweck brauchte. Mit Genehmigung des Generalvikariates
hat der Kirchenvorstand in den darauffolgenden Jahren Teile dieser
zweckgebundenen Mittel an Privatleute gegen Hypothekeneintra- gung
verliehen, um durch diese Zinseinnahmen den Baufond zu vergrößern.
Es gilt, sich eines wichtigen Datums vor 100 Jahren
zu
erinnern
Am 10. Oktober 1900 wurde der Grundstein der Neuen Kirche gelegt.
Was sich an diesem Tag in Wollersheim genau getan hat, läßt sich
nicht mehr feststellen. Wir haben auch keine Hinweise in der damaligen
Presse gefunden.
Aber warum haben die Zeitungen nichts berichtet?
Hätte Pfarrer Friedrich Schulte das Datum nicht in einer
handschriftlichen
Notiz festgehalten, wäre das Ereignis gar nicht überliefert.
Steht ein so gravierendes Ereignis heute nicht in der Zeitung, vermutet
man
sofort irgendwelche Hintergründe oder Absichten. Sollte das damals
anders
gewesen sein oder hatte der Kirchenvorstand die Presse einfach nicht
unterrichtet
oder eingeladen?
Ein Festakt wäre schon angemessen gewesen
Als wir uns mit dem Datum 10. Oktober 1900 befaßten, stellten wir zu
unserer
Überraschung fest, daß dieser Tag ein Mittwoch gewesen ist. Somit hat
die Grundsteinlegung an einem ganz normalen Arbeitstag stattgefunden.
Es
gibt auch keine Hinweise auf einen "ersten Spatenstich", auf vermauerte
Urkunden
oder sonstige Gegenstände; auch ist die Lage des Grundsteins unbekannt
und nicht überliefert.
So wie die Dinge sich uns heute darstellen, scheinen die Handwerker des
Bauunternehmers Leonard Olbertz aus Morschenich bei Düren ohne viel
Aufhebens an die Arbeiten gegangen zu sein. Offensichtlich hat kein
Festakt
stattgefunden. Entweder war es damals noch nicht üblich, eine solch
nebensächliche Angelegenheit an die große Glocke zu hängen, oder man
hat bewußt darauf verzichtet (Streit, Unstimmigkeiten?)
Der Bauplan stammte von einem renommierten
Architekten aus Münster
Noch im Frühjahr 1900 versuchte das bischöfliche
Generalvikariat eine Änderung
des Bauplans, speziell des projektierten Turmes, von seiner Genehmigung
abhängig zu machen. Daraufhin rief Bürgermeister Leonhard Herhahn,
der auch stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes war,
seine Mitkollegen Kaspar Tollmann, Engelbert Hoffsümmer und Werner
Heinen zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, um mit ihnen in
einem
Protokoll bei dem Kölner Generalvikariat gegen die Änderungswünsche
energisch zu protestieren. Dem Pfarrer, der an dieser Sitzung
demonstrativ
nicht teilnahm und das auch zu Protokoll gab, gefiel der Turm
offensichtlich
auch nicht. Besonders verärgert war der Kirchenvorstand darüber,
daß das bischöfliche Bauamt bereits vier eingereichte Baupläne für den
Kirchenneubau verworfen hatte und jetzt, kurz vor der Grundsteinlegung,
den Turm geändert haben wollte. Außerdem war man nicht mehr bereit,
weitere Planungskosten zu zahlen.
Der Kirchenvorstand wollte einfach keine Änderungen mehr akzeptieren
und an dem ursprünglichen Bauplan von Professor August Rinklake
festhalten.
Außerdem teilte man der Baubehörde unmißverständlich mit, man erwarte
bei einer Änderung der Turmpläne, daß der Baumeister unter diesen
Umständen auf die Bauausführung verzichten werde.
Auch die 12 Herren der kirchlichen Gemeindevertretung Johann Josef
Cramer, Franz Josef Girkens, Matthias Hoffsümmer, Peter Lennartz,
Winand Maubach, Andreas Meihs, Franz Nagelschmidt, Hubert Reuter,
Heinrich
Sistig, Peter Tollmann und Johann Zillken waren dieser Meinung.
Bereits einen Monat nach diesem "Aufstand" beschloß der Kirchenvorstand
demonstrativ und ohne auf die vorherige Kontroverse einzugehen, noch im
laufenden Jahr mit dem Bau der neuen Kirche beginnen zu wollen und
Professor
Rinklake die architektonische Leitung zu übertragen.
Offensichtlich hatten sich beide Gremien und auch die
Dorfbevölkerung mit
ihrem Wunsch, eine große Backsteinkathedrale im frühgotischen Stil zu
bauen, durchgesetzt. Knapp ein Jahr nach Baubeginn, bessert der
Kirchenvorstand
die Baupläne nochmals nach und beschließt, auf den 4 Ecken des
Turmes zusätzlich Türmchen bauen zu lassen. Wollte man damit etwa das
Generalvikariat oder den Pastor ärgern?
Mit der Größe der Kirche hatte man sowieso seine Probleme. Nach
unbestätigten
Erzählungen soll der Turm ursprünglich quadratisch geplant worden
sein. Weil aber der Bauplatz nicht ausreichte und man am Haupteingang
Bachstraße noch Platz benötigte, soll der Turm auf die heutige
schmale Form reduziert worden sein. Trotz dieser Maßnahme fehlten dann
immer noch ca. 2 Meter in der Grundstückslänge, die dann von der
Inhaberin
des Stifthofes zu Lasten ihres Vorgartens beigesteuert wurden.
Große Kirche, kleines Dorf
Im Vergleich zur Größe des damaligen Dorfes war der geplante Neubau
schon mehr als überdimensional. Um die Jahrhundertwende war das
Kerndorf
sehr viel kleiner als heute. Ober- und Unterdorf endeten damals weit
vor der heutigen Ortsgrenze. Die Bürvenicher Straße war kaum bebaut,
und die Neubaugebiete rund um das Dorf gab es noch nicht.
Ziegelfeld war am Seckpözje
Viele Ziegelsteine für die späteren Neubauten im Ort sollen auch aus
der
Produktionsanlage am Oberbach stammen. Die Anlage wurde für den Bau
der Neuen Kirche um 1898 im Auftrag des Kirchenvorstandes von Hubert
Heinen und Matthias Hoffsümmer eingerichtet. Unter deren Leitung wurde
die Zieglerfamilie Schiffer aus Lich-Steinstraß engagiert, die während
ihrer
Zeit in Wollersheim auch auf dem Ziegelfeld wohnte. Die Zieglerfamilie
war
mit ihrem Gehilfen zunächst nur für die Herstellung der Rohlinge
verantwortlich.
Die Aufstellung der Rohlinge zu einem Ofen und das Brennen derselben
oblagen dem Ziegelmeister Bläser.
Nach ständigem Ärger mit dem Pfarrer, der auf Menge und Qualität der
Ziegelproduktion Einfluß nehmen wollte, muß Hubert Heinen die Ziegelei
in eigener Regie weitergeführt haben und seine Ziegel dem
Kirchenvorstand
verkauft haben. Auch die Firma Olbertz scheint an der Produktion
bzw. an der Wartung der Öfen beteiligt gewesen zu sein.
Die Ziegelsteine wurden im Feldbrandverfahren
hergestellt
Die Produktion der Backsteine fand, wie damals üblich, dort statt, wo
der
Lehm gestochen wurde. Nach Zugabe verschiedener Sandarten wurden
aus dem so genannten "Kuchen" die Rohlinge geformt. Diese Arbeit fand
üblicherweise im Frühjahr statt, im Sommer wurden die Rohlinge an der
Luft getrocknet und im Herbst gebrannt. Nach den vorhandenen
Aufzeichnungen
müssen die Ziegler für die Neue Kirche mindestens zwei "Öfen" betrieben
haben. Ein "Ofen" war die Bezeichnung für viele mannshoch
aufgeschichtete
lange Reihen trockener Rohlinge. Besonders arbeitsaufwendig
war es, auch bei schlechter Witterung die Rohlinge vor Nässe zu
schützen.
Zwischen den Reihen wurden Feuerungskorridore freigelassen, in die
zerstückelte
Kohle verfüllt wurde. Nachdem man das Ganze mit verschieden
Materialien ummantelt hatte, sah der fertige Ofen dann wie ein
langgestreckter
Holzkohlenmeiler aus.
Baustelle wird eingerichtet
Anfang September 1900, etwa einen Monat vor der Grundsteinlegung,
mußte die Baustelle funktionsfähig gemacht werden. Zunächst mußte das
Gelände von Sand, Schutt und Steinen gereinigt werden. Der Unternehmer
ließ ein Baubude bzw. ein "Abort" errichten und verlegte eine
Wasserleitung
zum Bauplatz. Die damalige Besitzerin des Stiftshofes, Eva Maria
Reuter,
geborene Trimborn, vermietete neben einigen Zimmern in ihrem Wohnhaus
auch ihr Sälchen. Die Räume dienten als Baubüro, als Aufenthaltsraum
für
die Bauarbeiter sowie als Lagerraum für witterungsempfindliche
Baumaterialien.
Außerdem trat Frau Reuter einen etwa 2 Meter breiten Streifen ihres
Vorgartens der Pfarrgemeinde ab, weil das Baugrundstück nicht lang
genug
war. Als Gegenwert erhielt Frau Reuter auf der neuen Grundstücksgrenze
einen neuen Zaun und für sich persönlich einen direkten Zugang mit
Törchen
zum Kirchengrundstück.
Nach all diesen Vorarbeiten, nach der Säuberung der Sandgrube und der
Zufahrten zu den Ziegelfeldern, konnte dann endlich am 10. Oktober 1900
der Grundstein gelegt werden.
Weitere interessante Einzelheiten können Sie in einem
Buch nachlesen
Die vollständige Baugeschichte der Neuen Kirche wird in dem Buch "Die
Neue Kirche zu Wollersheim", das der Geschichtsverein vor einiger Zeit
herausgegeben
hat, beschrieben.
Das Buch ist im Pfarrbüro zum Preise von DM 10,--
erhältlich.
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