|
Hausschlachtung
Bis in die 1960er Jahre gehörten zu jedem Bauernhof
Ställe für Pferde, Ochsen, Kühe, Schweine, Hühner,
Gänse und Enten. Aber auch die übrigen Häuser des
Dorfes verfügten über Ställe, in denen Schweine, Hühner
und Kaninchen gehalten wurden. Für die Versorgung mit
Fleisch spielte früher das Schwein die herausragende
Rolle. Außerdem war es ein dankbarer Abnehmer für Abfälle
aller Art aus Haus und Garten. Sogar das tägliche
Spülwasser landete im Schweinetrog. Ansonsten wurden
kleine oder beschädigte Kartoffel, Gemüseabfall und
Kartoffelschalen im "Sauspott", einem alten Einweckkessel,
oder dem "Ferkespännche", einem großen direkt befeuerten
Waschkessel, gekocht. Nach dem Garen erfolgte
eine Zerkleinerung mit einem großen Holzstampfer.
Im Herbst und Winter erreichten die Schweine ihre
Schlachtreife. Sie wogen dann zwischen drei und vier,
manchmal sogar fünf Zentner. Die Hausschlachtungen
begannen Anfang Oktober und endeten Anfang April.
Der Schlachttag lag in der kalten Jahreszeit, da man
Kühlschränke und Gefriertruhen noch nicht kannte.
Das Schlachten besorgte ein Hausschlächter. Er war oft
kein gelernter Metzger, sondern ein Bauer, der sich die nötigen
Schlachtkenntnisse angeeignet hatte. Bis zum Beschäftigungsanfang
bei der Brauerei Cramer schlachtete
hier im Dorf meistens Johann Zillken. Er hatte das Handwerk
beim Metzger Kamp erlernt. Der letzte hauptberufliche
Hausschlächter in Wollersheim war Peter Lauterbach.
Auch er war gelernter Metzger.
Zum Schlachten brachte der Metzger die benötigten Gerätschaften
mit. Zunächst wurde das Schwein aus dem Stall
geholt. Dafür waren in der Regel zwei Männer notwendig,
der eine nahm das Tier am Ohr und zog, der andere schob
von hinten. Außerdem verhinderte er ein Weglaufen des
Schweins durch einen Strick, der am Hinterbein angebunden
war.
Am Schlachtplatz angekommen, musste das Tier zum Sitzen
gebracht werden. War dies erreicht, erfolgte ein kräftiger
Schlag auf die Stirnfläche zur Betäubung. Eine wirkungsvolle
Methode der Betäubung stellte ein Bolzenapparat
dar. Dabei handelte es sich um einen beweglichen Eisenbolzen
in einer Hülse, an der sich ein Holzstiel befand.
Mit einem schweren Holzhammer schlug man auf den auf
der Stirn des Schweins aufgesetzten Bolzen. Der Eisenstift
durchschlug die Schädeldecke und betäube das Tier. Ab
Mitte der 1930er Jahre benutzte man dafür spezielle
Schussapparate. War das Schwein betäubt, wurde aus der
Halsschlagader das Blut abgelassen und in einer großen
Schüssel aufgefangen. Wegen der Gerinnung musste das
Blut bis zum Erkalten gerührt werden.
Die Schlachtung war gesetzlich geregelt. In einer Polizeiverordnung
vom 29.3.1890 hieß es dazu unter anderem:
„Das Schlachten sämmlichen Viehs mit Ausnahme der
Schafe und des Federviehs darf nur nach vorhergegangener
Betäubung durch Kopfschlag stattfinden. Bei der Betäubung von Großvieh müssen mindestens zwei erwachsene
kräftige männliche Personen in der Weise thätig sein,
dass die eine den Kopf des Thieres mittelst geeigneter Vorrichtungen
festhält, die andere den Schlag führt.
Das Aufhängen des Viehs und das Rupfen des Federviehs
vor eingetretenem Tode darf nicht stattfinden.
Das Schlachten sämmtlichen Viehs soll in geschlossenen,
dem Publikum nicht zugänglichen Räumen stattfinden.
Die Anwesenheit von Kindern unter 14 Jahren darf nicht
geduldet werden."
Nach dem Ausbluten mussten die Borsten des Schweins
entfernt werden. Peter Lauterbach beherrschte noch die
Kunst des Flämmens. Dafür wurde das Tier mit einer dünnen
Schicht Stroh bedeckt. Das angezündete Stroh musste
zwar die Haare des Schweins abbrennen, das Feuer durfte
jedoch die Haut nicht schädigen. Da das Flämmen großes
Geschick und Erfahrung voraussetzte, schrabbten und säuberten
viele Hausschlächter die Schweinehaut unter ständigem
Begießen mit viel kochendem Wasser. Nach der Reinigung
konnte der Metzger das Schwein öffnen und ausnehmen.
Eine Nacht oder einen Tag blieben die Schweinehälften
zum Erkalten draußen oder in einem kühlen Raum
hängen.
Vor der Weiterverarbeitung des Fleisches erfolgte eine mikroskopische
Untersuchung durch den Trichinenbeschauer.
Etwa 1880 führte "die königliche Regierung die allgemeine
obligatorische Fleischbeschau durch Thierärzte oder
vorgebildete Laien ein". Für die Untersuchung auf Trichinen
und Finnen erhielt der Fleischbeschauer damals pro
Schwein 60 Pfennige. Der Fleischbeschauer gab mit einem
Stempelabdruck das Tier zur Weiterverarbeitung frei.
Der Hausschlächter zerlegte das Schwein fachgerecht, danach ging es ans Wurstmachen. Einige Familien besorgten
das Verwursten selbst nach überlieferten Hausrezepten.
Die meisten bedienten sich des Hausschlächters. Er besaß
auch die entsprechenden Geräte wie Fleischwolf und
Wurstmaschine. Viele fleißige Hände waren nötig, um Fett
auszukochen, Därme zu reinigen und gekochtes Fleisch
durchzudrehen. Es wurden Blut-, Leber- und Bratwurst hergestellt.
Für die Kinder gab es kleine Würstchen.
Die Brühe, in der die Zutaten für Blut- und Leberwurst, wie
Schweinekopf, Füße, Ohren, Schwarten und die Innereien
gekocht wurden, ergab eine gute Wurstsuppe. Aus der
Wurstbrühe vermengt mit Blutwurst und anderen Zutaten,
wie Buchweizenmehl stellte man den Panhas her. Nach
dem Erkalten konnte man ihn in Scheiben schneiden und
braten.
Die Kinder freuten sich über die Schweineblase, die sich
getrocknet und aufgeblasen als Fußball eignete. Pfeifenraucher
fertigten aus der Blase Tabakbeutel an.
Das zerlegte und nicht für Wurst gebrauchte Fleisch wurde
zum Einpökeln dick mit Salz eingerieben und in einer Holzwanne
eingelagert. Zuerst kamen die Schinken, weil sie am
längsten im Pökel blieben, darauf lagen die Speckseiten.
Der Pökel wurde gekocht und nach dem Erkalten vorsichtig
an den Seiten eingefüllt. Das Salz zwischen den Fleischstücken
durfte nicht ausgespült werden, sonst wäre das
Fleisch verdorben. Nach drei Wochen wanderte das
Fleisch aus der Salzlake in die Räucherkammer.
Nach dem Schlachttag erhielten Verwandte und Nachbarn
eine Wurst oder ein Stück Fleisch zum Probieren.
|
Download
|
|
|