Nr. 45 / November 2001
 
Hausschlachtung

Bis in die 1960er Jahre gehörten zu jedem Bauernhof Ställe für Pferde, Ochsen, Kühe, Schweine, Hühner, Gänse und Enten. Aber auch die übrigen Häuser des Dorfes verfügten über Ställe, in denen Schweine, Hühner und Kaninchen gehalten wurden. Für die Versorgung mit Fleisch spielte früher das Schwein die herausragende Rolle. Außerdem war es ein dankbarer Abnehmer für Abfälle aller Art aus Haus und Garten. Sogar das tägliche Spülwasser landete im Schweinetrog. Ansonsten wurden kleine oder beschädigte Kartoffel, Gemüseabfall und Kartoffelschalen im "Sauspott", einem alten Einweckkessel, oder dem "Ferkespännche", einem großen direkt befeuerten Waschkessel, gekocht. Nach dem Garen erfolgte eine Zerkleinerung mit einem großen Holzstampfer.

Im Herbst und Winter erreichten die Schweine ihre Schlachtreife. Sie wogen dann zwischen drei und vier, manchmal sogar fünf Zentner. Die Hausschlachtungen begannen Anfang Oktober und endeten Anfang April. Der Schlachttag lag in der kalten Jahreszeit, da man Kühlschränke und Gefriertruhen noch nicht kannte.

Das Schlachten besorgte ein Hausschlächter. Er war oft kein gelernter Metzger, sondern ein Bauer, der sich die nötigen Schlachtkenntnisse angeeignet hatte. Bis zum Beschäftigungsanfang bei der Brauerei Cramer schlachtete hier im Dorf meistens Johann Zillken. Er hatte das Handwerk beim Metzger Kamp erlernt. Der letzte hauptberufliche Hausschlächter in Wollersheim war Peter Lauterbach. Auch er war gelernter Metzger.
Zum Schlachten brachte der Metzger die benötigten Gerätschaften mit. Zunächst wurde das Schwein aus dem Stall geholt. Dafür waren in der Regel zwei Männer notwendig, der eine nahm das Tier am Ohr und zog, der andere schob von hinten. Außerdem verhinderte er ein Weglaufen des Schweins durch einen Strick, der am Hinterbein angebunden war.
Am Schlachtplatz angekommen, musste das Tier zum Sitzen gebracht werden. War dies erreicht, erfolgte ein kräftiger Schlag auf die Stirnfläche zur Betäubung. Eine wirkungsvolle Methode der Betäubung stellte ein Bolzenapparat dar. Dabei handelte es sich um einen beweglichen Eisenbolzen in einer Hülse, an der sich ein Holzstiel befand. Mit einem schweren Holzhammer schlug man auf den auf der Stirn des Schweins aufgesetzten Bolzen. Der Eisenstift durchschlug die Schädeldecke und betäube das Tier. Ab Mitte der 1930er Jahre benutzte man dafür spezielle Schussapparate. War das Schwein betäubt, wurde aus der Halsschlagader das Blut abgelassen und in einer großen Schüssel aufgefangen. Wegen der Gerinnung musste das Blut bis zum Erkalten gerührt werden.
Die Schlachtung war gesetzlich geregelt. In einer Polizeiverordnung vom 29.3.1890 hieß es dazu unter anderem: „Das Schlachten sämmlichen Viehs mit Ausnahme der Schafe und des Federviehs darf nur nach vorhergegangener Betäubung durch Kopfschlag stattfinden. Bei der Betäubung von Großvieh müssen mindestens zwei erwachsene kräftige männliche Personen in der Weise thätig sein, dass die eine den Kopf des Thieres mittelst geeigneter Vorrichtungen festhält, die andere den Schlag führt.
Das Aufhängen des Viehs und das Rupfen des Federviehs vor eingetretenem Tode darf nicht stattfinden.
Das Schlachten sämmtlichen Viehs soll in geschlossenen, dem Publikum nicht zugänglichen Räumen stattfinden.
Die Anwesenheit von Kindern unter 14 Jahren darf nicht geduldet werden."

Nach dem Ausbluten mussten die Borsten des Schweins entfernt werden. Peter Lauterbach beherrschte noch die Kunst des Flämmens. Dafür wurde das Tier mit einer dünnen Schicht Stroh bedeckt. Das angezündete Stroh musste zwar die Haare des Schweins abbrennen, das Feuer durfte jedoch die Haut nicht schädigen. Da das Flämmen großes Geschick und Erfahrung voraussetzte, schrabbten und säuberten viele Hausschlächter die Schweinehaut unter ständigem Begießen mit viel kochendem Wasser. Nach der Reinigung konnte der Metzger das Schwein öffnen und ausnehmen. Eine Nacht oder einen Tag blieben die Schweinehälften zum Erkalten draußen oder in einem kühlen Raum hängen.

Vor der Weiterverarbeitung des Fleisches erfolgte eine mikroskopische Untersuchung durch den Trichinenbeschauer. Etwa 1880 führte "die königliche Regierung die allgemeine obligatorische Fleischbeschau durch Thierärzte oder vorgebildete Laien ein". Für die Untersuchung auf Trichinen und Finnen erhielt der Fleischbeschauer damals pro Schwein 60 Pfennige. Der Fleischbeschauer gab mit einem Stempelabdruck das Tier zur Weiterverarbeitung frei.

Der Hausschlächter zerlegte das Schwein fachgerecht, danach ging es ans Wurstmachen. Einige Familien besorgten das Verwursten selbst nach überlieferten Hausrezepten. Die meisten bedienten sich des Hausschlächters. Er besaß auch die entsprechenden Geräte wie Fleischwolf und Wurstmaschine. Viele fleißige Hände waren nötig, um Fett auszukochen, Därme zu reinigen und gekochtes Fleisch durchzudrehen. Es wurden Blut-, Leber- und Bratwurst hergestellt. Für die Kinder gab es kleine Würstchen.
Die Brühe, in der die Zutaten für Blut- und Leberwurst, wie Schweinekopf, Füße, Ohren, Schwarten und die Innereien gekocht wurden, ergab eine gute Wurstsuppe. Aus der Wurstbrühe vermengt mit Blutwurst und anderen Zutaten, wie Buchweizenmehl stellte man den Panhas her. Nach dem Erkalten konnte man ihn in Scheiben schneiden und braten.

Die Kinder freuten sich über die Schweineblase, die sich getrocknet und aufgeblasen als Fußball eignete. Pfeifenraucher fertigten aus der Blase Tabakbeutel an.

Das zerlegte und nicht für Wurst gebrauchte Fleisch wurde zum Einpökeln dick mit Salz eingerieben und in einer Holzwanne eingelagert. Zuerst kamen die Schinken, weil sie am längsten im Pökel blieben, darauf lagen die Speckseiten. Der Pökel wurde gekocht und nach dem Erkalten vorsichtig an den Seiten eingefüllt. Das Salz zwischen den Fleischstücken durfte nicht ausgespült werden, sonst wäre das Fleisch verdorben. Nach drei Wochen wanderte das Fleisch aus der Salzlake in die Räucherkammer.
Nach dem Schlachttag erhielten Verwandte und Nachbarn eine Wurst oder ein Stück Fleisch zum Probieren.



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