Nr. 47 / Mai 2007
 
Als in Wollersheim für einen Ochsen
in der Kirche gebetet wurde

Bei Gesprächen mit ortsansässigen Zeitzeugen wird immer mal wieder von einer Überlieferung berichtet, die sich so oder so ähnlich zugetragen haben soll.

Arnold Esser (*) aus Wollersheim, Vater von Jakob Esser (**), war von Beruf Steinmetz und verwaltete an der Berger Chaussee den Gemeindesteinbruch, der gegenüber dem Weg nach Gödersheim lag und bei der Flurbereinigung 1906 aufgegeben wurde. Arnold Esser stellte unter anderem auch Steintröge und Steinkreuze her. Als ihm einmal ein Steinkreuz misslang, wollte er es nicht wegwerfen und stellte es provisorisch an der Zufahrt zum Steinbruch auf.

Der Steinbruch oder die Steinbrüche (Gemeindebruch) lagen von der Straße aus gesehen weiter zurück und konnten nur über einen Zufahrtsweg erreicht werden. An der Einmündung dieses Weges zur Landstraße nach Berg bekam das besagte
und nicht mehr zu verkaufende Kreuz einen neuen Standort. Steinbruch und Weg sind um 1908 im Rahmen der damaligen Flurbereinigung aufgegeben und eingeebnet worden.

In dem Steinbruch wurden damals unter anderem die Steine mit Schwarzpulver aus der Gebirge heraus gesprengt. Der Abtransport erfolgte mit Ochsenkarren. Bei einer Sprengung flogen versehentlich einmal verschiedene kleine Bruchstücke in die falsche Richtung und trafen den in einer Karre eingespannten Ochsen von Arnold Esser. Der Ochse riss sich los, galoppierte in Richtung Straße aus der Grube heraus und riss mit seiner Karre das besagte missratene Kreuz um.

Einige Zeit später kam der Wollersheimer Pastor (vermutlich Pfarrer Schulte) brevierbetend und nichtsahnend an der Unfallstelle vorbei und sah das umgerissene und lädierte Kreuz. Der Pfarrer muss so entsetzt gewesen sein, das er am nächsten Sonntag während der Messe die Gemeinde aufforderte für den Frevler zu beten, der das Kreuz umgerissen und geschändet habe.

Arnold Esser und sein Sohn Jakob, die beide natürlich in der Kirche waren und zwischen den Männern unten im Turm standen, wunderten sich über das Gebet des Pastors. Arnold Esser muss daraufhin lakonisch gesagt haben: dä, do bödde se füe menge Oaß (dä, da beten sie für meinen Ochsen). Im Rahmen der Flurbereinigung um 1970 sollte angeblich das Gelände um das Kreuz umgestaltet werden. Horst Esser (***) erzählte, dass er noch frühzeitig den Abtransport des Kreuzes verhindern und das Kreuz seines Urgroßvaters retten konnte. Später bekam das Kreuz einige Meter weiter höher in der Böschung einen neuen Standort.

Das Kreuz trägt keine Inschrift und steht auch heute noch an diesem Platz. Inzwischen hat das Kreuz einen kleinen gepflasterter Vorplatz erhalten.

(*)     Arnold Esser, geboren 1847, verheiratet mit Maria Cremer,

(**)   Jakob Esser, geboren 1881, verheiratet mit Sofia Lauterbach,

(***) Horst Esser, Enkel von Jakob Esser und Sohn von Anna Maria Esser

Notiert bei einem Gespräch mit Horst Esser, Pützweg, am 24.8.2002 und nacherzählt von H-G. Fries.



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