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Bullenhaltungsgenossenschaft
Die ersten
öffentlichen Maßnahmen zur Förderung der Tierzucht
galten in Deutschland der Pferdezucht. In erster Linie war dies wohl
bedingt durch den Bedarf des Militärs an Pferden und die
Bedeutung des Pferdes als Transport- und Fortbewegungsmittel. Bereits
im 17. Jahrhundert wurden die ersten Verordnungen für die
Hengsthaltung erlassen. Regelungen für die Rinderzucht folgten
etwa 200 Jahre später. Ein Gesetz des Landes Baden über die
Haltung und Körung der Zuchtstiere stammte aus dem Jahre 1837.
Bayern folgte 1888, das Rheinland Anfang der 1890er Jahre. Die
Tierzucht wurde durch Landesgesetze geregelt. Dabei hatten an erster
Stelle die Gemeinden für die Haltung der männlichen
Zuchttiere zu sorgen.
Im
Zuge der Beseitigung der Länderhoheit nach dem Jahre 1933 und
der Gründung des Reichsnährstandes wurde im Jahre 1936 das
Reichsgesetz zur Förderung der Tierzucht erlassen. Körämter
der Landesbauernschaft nahmen die Körung der männlichen
Zuchttiere vor.
Vor
1936 hielten in Wollersheim alle größeren Bauernhöfe,
zu denen natürlich ein entsprechender Viehbestand gehörte,
einen Zuchtbullen. Dieses Tier konnte nie lange auf einem Hof
verbleiben. Nach längstens zwei Jahren wurde es verkauft. Meist
hatte man einen im voraus feststehenden Käufer, der seinerseits
seinen Bullen auch wieder weitergab. So verkaufte die Familie
Nagelschmidt, die den Stiftshof bewirtschaftete, regelmäßig
ihren Stier an das Kloster Mariawald. Kleinere bäuerliche
Betriebe, die keinen eigenen Bullen besaßen, nahmen die Dienste
von zur Ankörung gelangter Zuchtstiere in Anspruch. Nach einer
Pressenotiz aus dem Jahre 1891 betrug das Deckgeld 50 Pfennige.
Im
Zusammenhang mit der Gründung des Reichsnährstandes
verboten die damaligen Machthaber die private Bullenhaltung. Es
mußten Genossenschaften gegründet werden. Im allgemeinen
handelt es sich bei Genossenschaften um Vereinigungen auf
freiwilliger Basis. Davon konnte im vorliegenden Falle jedoch keine
Rede sein. Jeder, und zwar auch der kleinste landwirtschaftliche
Betrieb, und davon gab es damals in Wollersheim über fünfzig,
besaß eine oder mehrere Kühe. Dadurch war jeder Bauer
gezwungen, der neuen Genossenschaft beizutreten und einen
Gründungsbeitrag zu leisten. Durch die Genossenschaften gewann
der Staat die Kontrolle über die Kuhhaltung und damit später
über die Milchablieferungsmengen. Vom Anfangskapital kaufte die
Genossenschaft einen Zuchtbullen. Bald stellte sich heraus, daß
ein zweiter angeschafft werden mußte. Denn in Wollersheim und
Eppenich, Eppenich wurde der Genossenschaft Wollersheim zugeordnet,
standen mehr als 380 Kühe.
Die
Genossenschaft kaufte gekörte Tiere auf Auktionen in Krefeld,
und zwar jedes Jahr einen Bullen. Da die Tiere jeweils zwei Jahre im
Dorf blieben, hatte man stets einen jungen und einen etwas älteren
Stier. Die beiden Vatertiere standen bei verschiedenen Landwirten.
Als Entgelt bekamen die Halter ein Futtergeld von täglich l,--
RM, später wurde der Betrag auf 1,50 DM und Mitte der 1960er
Jahre auf 4,-- DM erhöht. Außerdem wurde ihnen der
Fleischzuwachs vergütet. Beim Kauf wogen die etwa 10 Monate
alten Stiere rund 10 Zentner. Das Verkaufsgewicht lag bei ca. 25
Zentnern. Eventuelle Tierarztkosten oder Medikamente mußte der
Halter bezahlen. Der Deckvorgang kostete 5,-- Mark. Zur Kontrolle
erhielt die Kuh eine mit einer Nummer versehene Ohrmarke. Mittels
einer Spezialzange wurde ein Ohr durchlöchert. Dann nietete man
mit der gleichen Zange die Marke durch das Ohrloch fest. Wurde die
Kuh nicht trächtig, konnte sie noch zweimal kostenlos vorgeführt
werden. Der Stier durfte pro Tag höchstens zweimal aktiv sein.
Der Halter rechnete vierteljährlich mit der Genossenschaft ab.
Damit
der Halter nicht zu sehr in seinem bäuerlichen Arbeitsablauf
gestört wurde, waren die Deckzeiten festgelegt, und zwar morgens
6.00 bis 8.00 Uhr, mittags 12.00 bis 13.30 Uhr und abends je nach
Jahreszeit. Allerdings hielten sich nicht alle Kuhhalter an diese
Termine.
Jährlich
untersuchte ein Tierarzt alle Kühe. Dadurch sollte die
Übertragung von ansteckenden Krankheiten vermieden werden. Als
Vergütung erhielt der Tierarzt 0,30 RM pro Kuh. Diesen Betrag
forderte er bei der Genossenschaft an, die dann mit den einzelnen
Bauern abrechnete. Der letzte Tierarzt, der die Reihenuntersuchungen
durchführte, war Dr. Wimmers, der bis zu seinem Tode "Auf
der Heide" wohnte.
Der
jährliche Kauf eines Bullen scheint für die Genossenschaft
eine große finanzielle Belastung gewesen zu sein. Aus den
Niederschriften der Gemeinderatsitzungen ist zu entnehmen, daß
sie regelmäßig Zuschüsse erhielt. So lesen wir unter
dem 11. 2. 1953: "In Anbetracht der hohen Kaufsumme zur
Anschaffung eines neuen Bullens, wurde auf Antrag der
Bullengenossenschaft eine Summe von 200,-- DM zur Verfügung
gestellt". Unter dem 25. 6. 1954 heißt es: "Einstimmig
beschließt der Rat als Bezuschussung für die Beschaffung
eines Bullens den im Haushaltsplan vorgesehenen Betrag von 50,-- DM
der Bullengenossenschaft Wollersheim zu zahlen".
In
den 1960er Jahren ging die Zahl der Milchkühe immer mehr zurück.
So zählte man 1967 in Wollersheim nur noch 145 Tiere. Die
Genossenschaft konnte nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Dazu setzte
sich die künstliche Besamung immer mehr durch. Letztmalig
beschloss der Gemeinderat am 29.6.1965: "Der Rat beschließt
einstimmig, an die Bullengenossenschaft zu Händen des
Vorsitzenden Josef Fuß, Wollersheim, Lehmgasse, einen
einmaligen Betrag von 500, - DM als Zuschuss für die
Vatertierhaltung zu zahlen. Mit dieser Zahlung sind sämtliche
Anträge der Genossenschaft auch für die kommende Zeit als
abgegolten zu betrachten." Zwei Jahre danach löste sich die
Bullenhaltungsgenossenschaft auf. Das letzte Vatertier stand im Stall
von Josef Blum. Dem letzten Vorstand gehörten an: Josef Fuhs
(Vorsitzender), Alois Pütz (Schriftführer), Wilhelm
Nagelschmidt, Johann Eckstein.
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