Nr. 51 / Februar 2005
 
Kriegsende in Wollersheim

Am 1. März 1945 rückte die 1. Brigade der 9. Panzerdivision der US-Armee von Drove und Berg kommend gegen Wollersheim vor. Beim Angriff unterstützte sie ein Bataillon des 310. Infanterieregiments der 78. Infanteriedivision. Am 2. März eroberten amerikanische Truppen das Dorf und besetzten es. Damit war der Krieg für die wenigen in Wollersheim verbliebenen Einwohner beendet.

Im Hinblick auf den 60. Jahrestag wollen wir das Geschehen des 2. März 1945 von verschiedenen Seiten aus beleuchten. Zunächst haben wir versucht, amtliche
Aufzeichnungen der militärischen Verbände zu erhalten. Das ist uns leider nur teilweise gelungen. Aus dem Monat März 1945 liegen keine Kriegstagebücher der im hiesigen Raum eingesetzten deutschen Truppenteile vor. Die deutschen Einsatzberichte brechen mit dem 28. Februar 1945 ab. Von amerikanischer Seite stand uns die Truppenverband-Chronik des 60. Gepanzerten Infanterie Bataillons auszugsweise zur Verfügung. Darin heißt es:


Früh am Morgen des 1. März begann der Gefechtsverband Collins den Vormarsch auf das Ziel Wollersheim mit Fahrzeugen verstärkt durch die Kampfeinheit B/60 w/1, Zug C/19 Panzer Bataillon, die Ausgangsstellung Berg, Deutschland, um 7 Uhr überquerend. Als die Kampfeinheit über Berg fuhr, schoß der Feind etwa 50 Schuß von 105 mm Artillerie in das Dorf und verursachte eine kurze Verzögerung des Angriffs. Nachdem die Lage geklärt war, traf der Gefechtsverband auf eine hartnäckige, feindliche Streitmacht, geschätzt eine Infanteriekompanie, unterstützt von MGs und Panzer-Abwehr-Feuer, welche aus vorbereiteten Stellungen in Süden und Osten des Dorfes schossen. Wegen dieses Widerstandes war Kompanie B, 60. Gepanzertes Infanterie Bataillon gezwungen abzusitzen und den Angriff zuFuß weiter zu führen.

Das Gelände in diesem Sektor war fallend und ziemlich offen, so daß eine besonders gute Verteidigungsstellung erforderlich war. Der Feind benutzte ein ausgedehntes Schützengrabensystem als Laufgräben angelegt, um sich allmählich zurück zu ziehen auf hochgelegenes Gelände 1,5 Meile südöstlich von Berg in weitere vorbereitete Stellungen, während die Artillerie unsere gesamte Angriffsliniestark unter Beschuß hielt.

Die ersten Kriegsgefangenen dieses Morgens wurden als Fallschirmjäger der 3. Fallschirmjägerdivision identifiziert. Während des Morgens war das Wetter wolkig, und amNachmittag fiel ein leichter Regen.

Auf Grund des entschlossenen feindlichen Widerstandes gegen Kompanie B, Kompanie A, 60. Gepanzertes Infanterie Bataillon, wurde um 14 Uhr ein Angriff unternommen in die Richtung, wo man glaubte, daß sich die rechte Flanke des Feindes befinde. Dieser Angriff führte bis fast zu dem Dorfrand von Wollersheim im Nord-Westen. Er wurde sofort niedergeschlagen durch schweres Artilleriefeuer, MG und Sturmgeschütze. Man war gezwungen, in den Schützengräben des Feindes Deckung zu finden. Dieser Flankenangriff veranlaßte den Feind, sich von der Höhe zurückzuziehen in gegenüber Kompanie B vorbereitete Stellungen entlang des Dorfrandes. Sofort, nachdem die vom Feind verlassene Höhe, 1,5 Km westlich von Wollersheim, von Kompanie B eingenommen war, verteidigte Kompanie B den Hügel erfolgreich gegen einen Angriff von 3 feindlichen Panzern undungefähr 100 Infanteristen.

Nachdem der Feind die Stellungen von Kompanien A und B lokalisiert hatte, fuhr er mit heftigem Artillerie- und MG-Feuer gegen diese Stellungen fort und machte es so unmöglich, für jeder der Kompanien, während der Nacht anzugreifen. Die ganze Nacht hindurch gebrauchte der Feind in großem Umfang weißen Phosphor und Leuchtmunition, welche ihm half, die Spähtrupps, welche Kompanie A losschickte, um die gut getarnten, automatischen und direkten Feuerwaffen ausfindig zu machen, nieder zu halten.

Am Morgen des 2. März um 7.00 Uhr starteten die Kompanien A und B wieder einen Angriff auf Wollersheim, welcher erfolglos blieb. Kompanie A konnte nicht weiter kommen wegen des Artilleriefeuers und des Beschusses mit automatischen Waffen sowohl der Front als auch der Flanken. Kompanie B kam etwa 270 m weiter, wurde aber bezwungen durch intensiven, direkten Beschuß aus dem Ort und Beschuß mit automatischen Waffen und Einzelfeuer südlich einer Höhe von Wollersheim. Um 10.20 Uhr wurde Kompanie C einbezogen in einen Flankenangriff ohne Fahrzeuge durch eine Schwenkung nach Nordwesten des Ortes, und Kompanie B ging in Reservestellung. Der Angriff der Kompanien A und C konnte langsam und zeitgerecht stattfinden bei intensivem feindlichem Feuer. Kompanie A drang in den Ort ein und begann ihn zu erobern. Kurz nach Mittag begann sich der Feind zu ergeben und um 17.15 Uhr war derOrt offiziell erobert.


Nach diesem militärischen Rapport sollen Menschen zu Wort kommen, die den 2. März 1945 vor Ort miterlebt haben. Ein Wollersheimer und Soldaten beider Seiten berichten aus ihrer ganz persönlichen Sicht über die letzten Tage bis zum Einmarsch der Amerikaner. Keiner dieser Zeitzeugen hatte einen Gesamtüberblick. Dadurch stimmen die Aussagen naturgemäß nicht in allen Details überein.

Franz Wollenweber, Wollersheim / Vlatten


Seit Ende Februar 1945 hielten sich in unserem Hause (Bachstraße 14) neun Personen auf: meine Mutter mit den sechs Kindern, Gertrud, Elisabeth, Franz, Peter, Willi, Otto und Frau Regina Ramacher mit ihrer Tochter Regina Dohmen. Nachmittags wurden wir öfters von Soldaten besucht, die Kaffee tranken und danach wieder zu ihren Stellungen auf dem Kramberg zurückkehrten. Es handelte sich insgesamt um acht Fallschirmjäger, die auch am 1. und 2. März 1945 den Amerikanern erbitterten Widerstand leisteten. Von diesen acht haben die Kämpfe vermutlich nur zweiüberlebt.

Unser Haus verfügte nur über einen kleinen Keller. Mein Vater, der sich schon seit mehreren Wochen beim Volkssturm befand, hatte in den Keller Etagenbetten aus Holz eingebaut. Um möglichst viele Personen unterbringen zu können, waren die Höhenabstände sehr gering gehalten. Bei Artilleriebeschuß und nachts hielten sich alle Hausbewohner imKeller auf.

Am Nachmittag des 2. März 1945 nahmen die Amerikaner Wollersheim ein. Sie durchkämmten sämtliche Häuser nach deutschen Soldaten. Auch die Räume unseres Hauses wurden durchsucht. Es hielten sich aber keine Militärangehörigen bei uns auf. Der letzte Fallschirmjäger, der bei uns zuGast war, fiel vor dem Nachbarhause Hoffsümmer.

Im Laufe des Nachmittags wurde unser Haus ein zweites Mal von amerikanischen Soldaten durchsucht. Dabei hatten sie wieder ihre Gewehre im Anschlag. Diesmal nahmen sie alle Hausbewohner mit und brachten sie vor das Haus Harth (Hardenberg 1). Hier saßen bereits zwei gefangene deutsche Soldaten, die beiden überlebenden Fallschirmjäger vom Kramberg, auf Strohballen. Dabei standen noch Maria Wahlen und Klara Heinen. Später kamen Johann und Maria Schütz, Sophia Esser und Margarete Esser mit ihrem kranken Kind Anna hinzu. Nachdem wir hier einige Stunden gewartet hatten, brachten die Amerikaner gegen Abend alle in unser Haus. Verpflegung durch die Besatzer gab es nicht. Die Frauen kochten, was im Hause vorhanden war. Dazu gehörten Kartoffeln aus der eigenen Landwirtschaft und Milch von unseren Kühen. Täglich gab es Milchsuppemit gemahlener Gerste und gequetschtem Hafer.

Pfc (Hauptgefreiter) Leo Koechner, 37746311; Maschinengewehr Trupp, Kompanie A (Ersatz)


1. März 1945: Wir bekamen Anschluß zu der Frontlinie und eines Morgens wurde ein gutes heißes Essen gegeben, dann starteten wir. Wir warfen unsere Gasmasken weg, so daß wir mehr Munition tragen konnten. Bald wurden wir von schweren Granaten beschossen. Wir gruben uns in Fuchslöcher ein. Bald gingen wir weiter und gruben mehrere Fuchslöcher. Wir gruben diesen Tag sieben Löcher, meine Hände hatten Blasen, aber das machte nichts; ich war zu verängstigt. Diesen Abend fanden wir einige handgegrabene Schützengräben. Sie waren im Zickzack angelegt undgekrümmt.

Wir wurden jede Nacht beschossen und hatten nichts anderes als Schokolade "D"-Riegel zum Essen und Wasser. Die Panzer von unserem Trupp feuerten die ganze Nacht; daseinzige was stand, war eine große Kirche.

2. März 1945: Am nächsten Tag verließen wir unsere Schützengräben, um das Dorf einzunehmen. Wir waren in flachen offenen Feldern eine halbe oder dreiviertel Meile von dem Ort entfernt und rannten auf Wollersheim zu. Das einzige, wo wir Deckung suchen konnten, waren einige Misthaufen. Während ich lief, bekam ich einen Treffer in den linken Arm am Ellbogen, aber ich merkte es nicht, bis ich das Blut sah - es war so schrecklich. Ich versuchte, zurück zu laufen, aber ich fiel hin. Meine Kameraden sagten, ich sollte mich rollen; das tat ich für eine lange Zeit. Unser Erste-Hilfe-Mann kam und gab mir eine Spritze und schnürte mir meinen Arm ab. Spät am Abend weckte er mich. Zwei deutsche Soldaten waren da, um mir zu helfen. Mein Kamerad aus Arkansas hatte sie gefangen genommen. Einer von ihnen wollte mir nicht helfen, weil ich ganz voller Blut war. Mein Arkansas-Kamerad richtete sein Bajonett auf das Hinterteil von ihm und befahl zu helfen oder er würde ihn töten; er half. Sie legten uns in eine Reihe von Verwundeten und Toten von 25 oder 30 oder so. Nach acht Stunden Liegen auf dem Schlachtfeld – natürlich schlafend - brachten sie michzu einer Erste-Hilfe-Station.


Fallschirmjäger Ferdinand Rauch



Als Fallschirmjäger gehörte ich der 14. Panzerjäger-Kompanie, 5. Bataillon, 9. Regiment an. Durch die verlustreichen Kämpfe in der Eifel konnte in Wollersheim nur noch eine sogenannte Kampftruppe Becker, die 45 bis 50 Mann stark war, eingesetzt werden. Sie stand unter dem Kommando von Oberst K. H. Becker.

Nach der Aufgabe von Heimbach zog die Kampftruppe über Hergarten und Vlatten nach Wollersheim. Über diese Strecke mußte ich neben meiner Ausrüstung auch ein Maschinengewehr tragen. Die Kampftruppe bezog auf dem Pützberg Stellung. Sie benutzte die schon vor vielen Monaten ausgehobenen Laufgräben. Es wurden mehrere Maschinengewehre in Stellung gebracht. Am Morgen des 1. März 1945 versuchten die Amerikaner, den Pützberg zu erstürmen. Die deutschen Fallschirmjäger konnten den Angriff jedoch abwehren. Danach nahm amerika- nische Artillerie den Pützberg unter Beschuß. Bis auf eine Restbesatzung von ca. 15 Mann zogen sich die Deutschen vom Pützberg ins Dorf zurück. Am Pützberg fielen etwa 30 Amerikaner.

Am 1. März 1945 wurde auch der Kramberg von den deutschen Truppen geräumt. Dabei handelte es sich nicht um Fallschirmjäger.

Nach Verlassen des Pützbergs verteilten sich die Fallschirmjäger im Dorf. Ich brachte mein Maschinengewehr in einem Mauerloch, das von einem Artillerietreffer stammte, in Stellung. Es war wohl die Scheune der Familie Merzenich (Zehnthofstr. 13). Von hier aus konnte ich das gesamte Gelände bis zu Kramberg und Heidling kontrollieren. Am 2. März beschoß ich einen amerikanischen Panzerspähwagen.
Wegen der großen Entfernung prallten die Maschinengewehrkugeln jedoch wirkungslos ab. Ein nachrückender Panzer nahm nunmehr die Scheune unter Beschuß. Ich mußte jetzt meinen Platz aufgeben und die Scheune verlassen.

Zum gleichen Zeitraum wurde um den Pützberg noch heftig gekämpft. Die wenigen Deutschen konnten jedoch dem übermächtigen Druck nicht lange standhalten. Im Laufe des Vormittags eroberten die Amerikaner den Hügel und nahmen 10 bis 15 deutsche Soldaten gefangen. Am Pützberg fielen ca. 30 Amerikaner.

Gegen Mittag wurde den Verteidigern klar, daß Wollersheim nicht mehr zu halten war. Um 12.00 Uhr verließen die letzten drei Panzer (ein Panther, zwei Tiger II) das Dorf. Jetzt wurde auch bekannt, daß Deutsche und Amerikaner für 16.00 Uhr die Kapitulation vereinbart hatten. Ab 14.00 Uhr stellten beide Seiten das Feuer ein. Viele deutsche Soldaten entledigten sich ihrer Waffen. Ich warf mein Maschinengewehr in die Jauchegrube eines Bauernhofes. Ein geordneter Rückzug erfolgte nicht. Vorgesetzte übten keine Funktionen mehr aus. Jedem Soldaten war sein Handeln freigestellt. Ich verließ das Dorf mit zwei Kameraden in Richtung Eppenich.
Zum Schutz vor Tieffliegern versteckten wir uns in einer Strohmiete. Es standen zwei Mieten nebeneinander, die auch schon anderen Soldaten Deckung boten. Hier wollten wir die Dunkelheit abwarten und dann weiterziehen.

Im Laufe des Nachmittags näherte sich aus Richtung des Waldes ein amerikanischer Jeep, der mit einem Maschinengewehr bestückt und mit zwei Mann besetzt war. Drei Deutsche verließen die Deckung und gingen dem Jeep langsam mit erhobenen Händen entgegen. Man wollte das Fahrzeug auf Schußweite herankommen lassen, dann sollten sich die drei zu Boden werfen und von der Miete aus sollten die Amerikaner mit einem Maschinengewehr ausgeschaltet werden. Dieses Vorhaben mißlang jedoch, da plötzlich ein zweiter Jeep auftauchte. So ergaben sich alle Deutschen kampflos.




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