Nr. 52 / November 2005
 
Wild und Jagd im Badewald um 1900
Jagdunfall im Jahre 1879


Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges führten in weiten Teilen Deutschlands zu einer Zerstörung der Hoch- und Niederwildbestände. Dazu trug in erheblichem Umfange die aus der Not erwachsende Wilderei bei.

Die Landesforstordnungen von Kurköln (1759) und Jülich-Berg (1761) sahen sich daher gezwungen, auf das alleinige Jagdrecht der Landes- und Grundherren mit Nachdruck hinzuweisen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erholten sich die Wildbestände allmählich wieder.

Das änderte sich jedoch mit dem Einmarsch der napoleonischen Truppen in unsere Gegend. Das französische Gesetz von 1789, das auch für unser Gebiet gültig war, gestattete jedem Eigentümer, auf seinem Grund und Boden zu jagen. Unter diesen Voraussetzungen war an ein Hegen des Wildes nicht zu denken. Die Jagd wurde immer intensiver betrieben.

Nachdem Preußen die Rheinlande 1815 übernommen hatte, erließ es ein umfassendes Jagdreglement, das das Jagdrecht des Einzelnen zu Gunsten der Gemeinden einschränkte und außerdem Schonzeiten anordnete.

Der Bezirksausschuss zu Aachen setzte die Schonzeiten für den Regierungsbezirk fest. Ausschlaggebend dafür, was wann gejagt werden durfte, waren die Art des Wildes und dessen Paarungs-, Setz- und Brutzeiten. Dabei wurden um 1900 Wildarten aufgeführt, die man heute in unserer Gegend nicht mehr antrifft, wie Wachteln, Auer- und Birkhennen.

Wie es um den Wildbesatz in der Wollersheimer Gemarkung bestellt war, wissen wir nicht genau. Aussagefähige Unterlagen gibt es nicht mehr. Wir haben daher Presseberichte vom Ende des 19. Jahrhunderts ausgewertet, die über unser größtes Waldrevier, die Bade, gewisse Rückschlüsse zulassen.

Der Badewald erstreckte sich damals über ein wesentlich größeres Gebiet als heute. Er reichte von den Felsen bei Blens und Hausen über die Landstraße Wollersheim- Berg hinaus bis zur Burg Gödersheim. Im Norden bildete der Bereich "Märzental" bis Berg die Grenze, im Süden war noch die Gemarkung "Remmelsacker" bewaldet.

Bei der Größe der Waldfläche müsste man davon ausgehen, dass Rehe, Hirsche und Wildschweine einen entsprechenden Lebensraum hatten. In den Zeitungen finden sich jedoch stets nur Berichte über Schwarzwild. Hirsche und Rehe werden nicht erwähnt. Vermutlich kamen sie nur selten vor. Auch über den Abschuss von Füchsen und Kaninchen erfahren wir nichts oder nur wenig. So ist unter dem 12.11.1878 zu lesen: "Die Treibjagd in der Baade am vergangenen Freitag hat einen leidlich guten Erfolg gehabt. Herr E. K. aus Zülpich erlegte zwei Wildschweine, und außerdem ist noch ein Fuchs geschossen worden. Es nimmt aber den Anschein, als ob die Wilddieberei in dem besagten Jagdrevier auf hoher Blüthe stehe, da die erste Jagd fast ganz resultatslos blieb und die Beute dieser zweiten gewiss nicht der sonst so wildreichen Gegend entspricht ".

Am 11.1.1879 ereignete sich im Badewald ein tragischer Jagdunfall. Die Presse berichtete: "Bei Gelegenheit der am Samstag den 11. ds. Mts. im Bade-Busche abgehaltenen Treibjagd auf Wildschweine ereignete sich das Unglück, daß der Ackerer und 1. Beigeordnete Bürgermeister Franz Reuter aus Wollersheim von dem Ackerer Arnold Esser aus Vlatten auf eine Distanz von 26 - 30 Schritten erschossen wurde, so daß der Tod des Reuter sofort erfolgte. Es diene dies wiederum zur Warnung, daß bei Abhaltung solcher Treibjagden die größte Vorsicht gebraucht und nicht eher geschossen wird, bis jeder Jäger auf das Bestimmteste den Gegenstand, worauf er schießen soll, genau erkennt, besonders aber Sonntagsjägern die Theilnahme an solchen Jagden nicht gestattet werde".

Obwohl in dem Bericht von einer Treibjagd die Rede ist, behauptete der Jagdpächter Schneider aus Zülpich, es habe sich bei den Jagdteilnehmern um unbefugt Jagende gehandelt. Seine Darstellung dürfte jedoch nicht den Tatsachen entsprochen haben. Nach unseren Recherchen bestand die Jagdgesellschaft aus ehrenwerten Bürgern. Außerdem werden Wilderer wohl keine Treibjagd abhalten. Vermutlich wollte sich Herr Schneider einer Mitverantwortung entziehen.

Bereits am 19.4.1879 verhandelte das Zuchtpolizeigericht in Aachen über den Jagdunfall. Dazu schrieb die Zülpicher Zeitung: "Der Ackerer Arnold Esser aus Vlatten, welcher s. Z. durch einen unglücklichen Schuß den 1. Beigeordneten Bürgermeister Franz Reuter in Wollersheim getödtet, wurde der fahrlässigen Tödtung für überführt erklärt und zu einer Gefängnißstrafe von 14 Tagen nebst allen Kosten verurteilt".

Von dem Jagdunglück am 11.1. zeigten sich die Waidmänner nicht sonderlich beeindruckt. Denn bereits Ende des Monats fand im gleichen Revier die nächste Treibjagd statt, bei der ein ca. 140 Pfund schwerer Keiler erlegt wurde.

Im Folgejahr hatte sich der Wildschweinbestand wohl vergrößert. Am 31.1.1880 heißt es in einem Zeitungsbericht: "Bei dem jetzigen schönen Spurschnee betreibt die hiesige Jagdgesellschaft "Bade" ihre Jagd auf Wildschweine mit vielem Erfolg. Nachdem in letzter Zeit drei schwere Sauen geschossen waren, wurde am 19. d. Mts. von Herrn H. aus Bürvenich mit jedem Laufe ein Thier erlegt. Bei der am 26. auf Wildschweine abgehaltenen Jagd wurden wiederum 3 Sauen erlegt ".

Anfang der 1880er Jahre scheint die Jagdlust ausgeufert zu sein. Das Revier wurde überjagd, und bald gab es fast kein Schwarzwild mehr. Erst im Januar 1895 meldet die Presse: "Am Samstag Nachmittag wurde im Wollersheimer Waldrevier "Bade" ein schweres Wildschwein eingekreist, und gelangte durch die sofort angestellte Jagd ein Kailer im Gewichte von ca. 200 Pfd. zur Strecke. Seit länger als 10 Jahren haben sich in genanntem Revier keine Wildschweine mehr gezeigt. In diesem Jahre treten dieselben aber häufiger auf".

Unter dem 4. März 1895 finden wir folgende Notiz: "Am vorletzten Samstage wurde in hiesigem Waldrevier ein Wildschwein eingekreist und gelangte bei der alsbald angestellten Jagd im Districte "Rödel" ein starker Keiler zur Strecke. Es ist dies das zweite Exemplar, welches in letzter Schneeperiode hier erlegt wurde, und da sich noch vielfach Wildschweine in der Umgegend zeigen, so hofft man in dem "Badewalde", welcher ein beliebter Aufenthalt dieser Thiere ist, baldigst noch günstigere Resultate zu erzielen".

Ende der 1890er Jahre waren die Winter in unserer Gegend sehr mild. Der Bestand an Wildschweinen vermehrte sich dadurch erheblich. Als Beweis mag ein Zeitungsartikel vom 12.12.1899 gelten: "Im Badewalde wurde gestern ein starkes Rudel Wildschweine, 16 Stück, von Waldarbeitern bemerkt. Die Schweine wurden nach Möglichkeit eingekreist und mehrere Jäger von hier benachrichtigt, denen es gelang, 7 Schweine zu erlegen".

Um 1900 erhöhte sich die Populationsdichte immer mehr. Die Schäden durch Schwarzwild wurden so groß, dass 1902 die Bürgermeister die Jagdpächter aufforderten, Saujagden abzuhalten.





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