Wild und Jagd im
Badewald um 1900
Jagdunfall im Jahre 1879
Die Folgen
des Dreißigjährigen Krieges führten in weiten
Teilen Deutschlands zu einer Zerstörung der Hoch- und
Niederwildbestände. Dazu trug in erheblichem Umfange
die aus der Not erwachsende Wilderei bei.
Die Landesforstordnungen von Kurköln (1759) und
Jülich-Berg (1761) sahen sich daher gezwungen, auf das
alleinige Jagdrecht der Landes- und Grundherren mit
Nachdruck hinzuweisen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts
erholten sich die Wildbestände allmählich wieder.
Das änderte sich jedoch mit dem Einmarsch der
napoleonischen
Truppen in unsere Gegend. Das französische
Gesetz von 1789, das auch für unser Gebiet gültig war,
gestattete jedem Eigentümer, auf seinem Grund und Boden
zu jagen. Unter diesen Voraussetzungen war an ein
Hegen des Wildes nicht zu denken. Die Jagd wurde immer
intensiver betrieben.
Nachdem Preußen die Rheinlande 1815 übernommen
hatte, erließ es ein umfassendes Jagdreglement, das das Jagdrecht des
Einzelnen zu Gunsten der Gemeinden
einschränkte und außerdem Schonzeiten anordnete.
Der Bezirksausschuss zu Aachen setzte die Schonzeiten
für den Regierungsbezirk fest. Ausschlaggebend dafür,
was wann gejagt werden durfte, waren die Art des Wildes
und dessen Paarungs-, Setz- und Brutzeiten. Dabei
wurden um 1900 Wildarten aufgeführt, die man heute in
unserer Gegend nicht mehr antrifft, wie Wachteln, Auer- und
Birkhennen.
Wie es um den Wildbesatz in der Wollersheimer Gemarkung
bestellt war, wissen wir nicht genau. Aussagefähige
Unterlagen gibt es nicht mehr. Wir haben daher Presseberichte
vom Ende des 19. Jahrhunderts ausgewertet,
die über unser größtes Waldrevier, die Bade, gewisse
Rückschlüsse zulassen.
Der Badewald erstreckte sich damals über ein wesentlich
größeres Gebiet als heute. Er reichte von den Felsen bei
Blens und Hausen über die Landstraße Wollersheim-
Berg hinaus bis zur Burg Gödersheim. Im Norden bildete
der Bereich "Märzental" bis Berg die Grenze, im Süden
war noch die Gemarkung "Remmelsacker" bewaldet.
Bei der Größe der Waldfläche müsste man davon ausgehen,
dass Rehe, Hirsche und Wildschweine einen entsprechenden
Lebensraum hatten. In den Zeitungen finden
sich jedoch stets nur Berichte über Schwarzwild. Hirsche
und Rehe werden nicht erwähnt. Vermutlich kamen
sie nur selten vor. Auch über den Abschuss von Füchsen
und Kaninchen erfahren wir nichts oder nur wenig.
So ist unter dem 12.11.1878 zu lesen: "Die Treibjagd in der Baade am
vergangenen Freitag hat einen leidlich guten
Erfolg gehabt. Herr E. K. aus Zülpich erlegte zwei
Wildschweine, und außerdem ist noch ein Fuchs geschossen
worden. Es nimmt aber den Anschein, als ob
die Wilddieberei in dem besagten Jagdrevier auf hoher
Blüthe stehe, da die erste Jagd fast ganz resultatslos
blieb und die Beute dieser zweiten gewiss nicht der sonst
so wildreichen Gegend entspricht ".
Am 11.1.1879 ereignete sich im Badewald ein tragischer
Jagdunfall. Die Presse berichtete: "Bei Gelegenheit der
am Samstag den 11. ds. Mts. im Bade-Busche abgehaltenen
Treibjagd auf Wildschweine ereignete sich das Unglück,
daß der Ackerer und 1. Beigeordnete Bürgermeister
Franz Reuter aus Wollersheim von dem Ackerer Arnold
Esser aus Vlatten auf eine Distanz von 26 - 30
Schritten erschossen wurde, so daß der Tod des Reuter
sofort erfolgte. Es diene dies wiederum zur Warnung,
daß bei Abhaltung solcher Treibjagden die größte Vorsicht
gebraucht und nicht eher geschossen wird, bis jeder
Jäger auf das Bestimmteste den Gegenstand, worauf
er schießen soll, genau erkennt, besonders aber Sonntagsjägern
die Theilnahme an solchen Jagden nicht gestattet
werde".
Obwohl in dem Bericht von einer Treibjagd die Rede ist,
behauptete der Jagdpächter Schneider aus Zülpich, es
habe sich bei den Jagdteilnehmern um unbefugt Jagende
gehandelt. Seine Darstellung dürfte jedoch nicht den
Tatsachen entsprochen haben. Nach unseren Recherchen
bestand die Jagdgesellschaft aus ehrenwerten Bürgern.
Außerdem werden Wilderer wohl keine Treibjagd
abhalten. Vermutlich wollte sich Herr Schneider einer Mitverantwortung
entziehen.
Bereits am 19.4.1879 verhandelte das Zuchtpolizeigericht
in Aachen über den Jagdunfall. Dazu schrieb die
Zülpicher Zeitung: "Der Ackerer Arnold Esser aus Vlatten,
welcher s. Z. durch einen unglücklichen Schuß den
1. Beigeordneten Bürgermeister Franz Reuter in Wollersheim
getödtet, wurde der fahrlässigen Tödtung für überführt
erklärt und zu einer Gefängnißstrafe von 14 Tagen
nebst allen Kosten verurteilt".
Von dem Jagdunglück am 11.1. zeigten sich die Waidmänner
nicht sonderlich beeindruckt. Denn bereits Ende
des Monats fand im gleichen Revier die nächste Treibjagd
statt, bei der ein ca. 140 Pfund schwerer Keiler erlegt
wurde.
Im Folgejahr hatte sich der Wildschweinbestand wohl
vergrößert. Am 31.1.1880 heißt es in einem Zeitungsbericht:
"Bei dem jetzigen schönen Spurschnee betreibt die
hiesige Jagdgesellschaft "Bade" ihre Jagd auf Wildschweine
mit vielem Erfolg. Nachdem in letzter Zeit drei
schwere Sauen geschossen waren, wurde am 19. d. Mts.
von Herrn H. aus Bürvenich mit jedem Laufe ein Thier erlegt.
Bei der am 26. auf Wildschweine abgehaltenen
Jagd wurden wiederum 3 Sauen erlegt ".
Anfang der 1880er Jahre scheint die Jagdlust ausgeufert
zu sein. Das Revier wurde überjagd, und bald gab es fast
kein Schwarzwild mehr. Erst im Januar 1895 meldet die
Presse: "Am Samstag Nachmittag wurde im Wollersheimer
Waldrevier "Bade" ein schweres Wildschwein eingekreist,
und gelangte durch die sofort angestellte Jagd ein Kailer im Gewichte
von ca. 200 Pfd. zur Strecke. Seit länger
als 10 Jahren haben sich in genanntem Revier keine
Wildschweine mehr gezeigt. In diesem Jahre treten dieselben
aber häufiger auf".
Unter dem 4. März 1895 finden wir folgende Notiz: "Am
vorletzten Samstage wurde in hiesigem Waldrevier ein Wildschwein
eingekreist und gelangte bei der alsbald angestellten
Jagd im Districte "Rödel" ein starker Keiler zur
Strecke. Es ist dies das zweite Exemplar, welches in letzter
Schneeperiode hier erlegt wurde, und da sich noch
vielfach Wildschweine in der Umgegend zeigen, so hofft
man in dem "Badewalde", welcher ein beliebter Aufenthalt
dieser Thiere ist, baldigst noch günstigere Resultate
zu erzielen".
Ende der 1890er Jahre waren die Winter in unserer Gegend
sehr mild. Der Bestand an Wildschweinen vermehrte
sich dadurch erheblich. Als Beweis mag ein Zeitungsartikel
vom 12.12.1899 gelten: "Im Badewalde wurde
gestern ein starkes Rudel Wildschweine, 16 Stück, von
Waldarbeitern bemerkt. Die Schweine wurden nach Möglichkeit
eingekreist und mehrere Jäger von hier benachrichtigt,
denen es gelang, 7 Schweine zu erlegen".
Um 1900 erhöhte sich die Populationsdichte immer
mehr. Die Schäden durch Schwarzwild wurden so groß,
dass 1902 die Bürgermeister die Jagdpächter aufforderten,
Saujagden abzuhalten.
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