Ein Rohstoff für
den Trank der Götter
Braugerste aus der Eifel
Albert Grein
Neben Wasser
und Milch kann man Bier als eines der ältesten Getränke der Menschheit
bezeichnen. Bei den meisten Völkern der Welt wurden schon frühzeitig
aus zucker- und stärkehaltigen Stoffen alkoholische Getränke
hergestellt. Die Kunst des Bierbrauens war schon seit dem 3.
Jahrtausend v. Chr. den Menschen aus Mesopotamien bekannt. Sie hatten
eine regelrechte „Braukunst" entwickelt, indem sie zahlreiche
unterschiedliche Biersorten brauten. Vom Zweistromland aus verbreitete
sich das Bierbrauen zu den alten Völkern des Orients bis in den
Mittelmeerraum. Auch Griechen und Römer waren begeisterte Biertrinker
geworden. Den germanischen Völkern war ebenfalls neben Met das Bier und
die Kunst seiner Herstellung bekannt. Als Kultgetränk diente es den
Königen bei ihren religiösen Zeremonien. Zur Geschmacksverbesserung
wurden immer schon die unterschiedlichsten Stoffe von Baumrinde über
Gewürze bis hin zum Hopfen verwendet. Als Bier kann man im weitesten
Sinne alle Getränke bezeichnen, die sich aus stärkehaltigen Rohstoffen
entwickeln und nicht destilliert werden, um den Alkoholgehalt zu
konzentrieren.
Im Verlauf der Biergeschichte hat man mit vielerlei
stärkehaltigen
Rohstoffen experimentiert. In der Bundesrepublik
Deutschland wurde am 14. 03.1952 das Deutsche
Biersteuergesetz verkündet. In seinen § 9 und 10 ist geregelt,
dass Bier nur unter Zusatz von Gersten- oder unter
Zusatz von Weizenmalz hergestellt werden darf und
strengen lebensmittelrechtlichen Vorschriften unterliegt.
Hier findet auch das oft zitierte Reinheitsgebot von 1516
seinen Niederschlag.
In den nördlichen Bundesländern finden wir im Gegensatz
etwa zu Bayern vorwiegend Biere, die auf der
Grundlage von Gerstenmalz gebraut werden. Diese Getreideart
und zwar die zweizeilige Sommergerste (Hordeum
distichon, Vegetationszeit ca. 100 Tage) hat sich
wohl in jahrhundertelanger Erfahrung als bester Rohstoff
erwiesen.
Vom Vennfuß bei Aachen im Westen, etwa in den Höhenlagen
bis ca. 400 m, zieht sich der Braugerstenanbau
entlang des Nordeifelrandes bis in den Raum Münstereifel
im Osten. Dabei findet man vereinzelt über dieses Gebiet
hinaus Anbauflächen sowohl in der Börde als auch
in den Höhenlagen der Eifel.
Als Kernanbaugebiet dieses edlen Getreides kann man
allerdings den südlichen Kreis Düren um Nideggen,
Berg, Wollersheim, Vlatten, Hergarten bis hin in das Mechernicher
Land bezeichnen. Hier handelt es sich um
das kleinste Anbaugebiet in Deutschland, wobei jährliche
bundesweite Qualitätsvergleiche auch heute noch den
Bauern aus dieser Region viele Preise und Auszeichnungen
einbringen.
Der wichtigste Rohstoff für die Bierherstellung ist das
Malz. Qualitätsbraugerste muss eine Keimenergie von
mehr als 95 % aufweisen. Die Gerste wird in der Mälzerei
so lange mit Wasser versetzt, bis sie einen Feuchtigkeitsgehalt
von 40 - 50 % aufweist. Dabei entwickeln sich
bei Temperaturen von ca. 15° Celsius in 4 bis 7 Tagen
die Blatt- und Wurzelkeime. Dieser Ablauf wird dann
durch den Darrprozess gestoppt. Der Mälzer führt diese
Trocknung der gekeimten Gerste in zwei Gängen durch,
zunächst bei Temperaturen um etwa 50° C. Danach werden
diese für 3 - 4 Std. auf 80° C. und darüber hinaus
hochgefahren.
Das Mälzen ist eine hohe Kunst, geprägt durch Wissen
und Erfahrung, vergleichbar mit der Kunst des Bierbrauens.
Der Mälzer liefert dem Brauer den Rohstoff, der
letztlich über Geschmack und Haltbarkeit des Endproduktes
Bier entscheidet. Das Malz kann aber nur so gut
gelingen wie der Ausgangsstoff Braugerste es hergibt.
Wenn man sich mit der Geschichte des Braugerstenanbaus
in der Voreifel beschäftigt, so trifft man immer wieder
auf die günstigen klimatischen Bedingungen in diesem
begrenzten Anbaugebiet. Die mittleren Tagestemperaturen
liegen während der Vegetationszeit zwischen
13°C. und 15°C. Das langjährige Mittel der Niederschläge
zeigt im gleichen Zeitraum 180 - 200 mm. Die Böden
als Grundlage der Vegetation sind in ihrem geologischen
Ursprung durch den Muschelkalk und den oberen, mittleren
und unteren Buntsandstein charakterisiert. Diese Befunde
bilden also die Grundlage für den Anbau der Braugerste
mit hohem Qualitätsstandard im Anbaugebiet Voreifel.
In der „Zülpicher Zeitung" vom 12.09.1896 finde ich
einen
Bericht „Saatzucht- und Braugerstenausstellungen"
in Köln bzw. Euskirchen. Hier wird über die Zucht- und
Anbaugebiete der Braugerste unterrichtet. Weiterhin geht
aus dem Artikel hervor, dass man sich offensichtlich
schon vor 1896 recht intensiv mit „gutem Gerstenboden",
also Standortbedingungen und richtiger d.h. qualitätsorientierter
Sortenwahl beschäftigt hat. Durch diese langjährigen
Forschungen, die von der Landwirtschaftskammer
Rheinland bis in die Gegenwart fortgesetzt werden,
ist die Qualität der Braugerste stetig durch gezielte Auswahl
der Sorten verbessert worden. Dies führte in der
Voreifel dazu, dass sich hier praktisch schon seit Jahrzehnten
ein Sortenreinheitsgebiet, also eine Beschränkung
auf wenige Sorten der Braugerste entwickelt hat.
Wie im Weinbau, im Waldbau oder in der Pferdezucht
zeigte sich auch im Bewusstsein der Braugerstenbauern
der Stolz auf ein gutes Produkt, welches durchaus in den
Rang eines Kulturgutes aufstieg. In der oben genannten
Zülpicher Zeitung von 1896 wird schon darüber berichtet,
dass erfolgreiche Braugerstenbauern aus Wollersheim,
VIatten bzw. Roggendorf für ihre Leistungen mit Preisen
und Auszeichnungen bedacht wurden. Diese Tradition
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung
des Braugerstenanbauvereins Voreifel wieder aufgenommen
und seit über 50 Jahren fortgeführt. Jedes Jahr im
Herbst findet im Wechsel zwischen Zülpich, Gemünd und
Euskirchen die Braugerstenausstellung statt. Die Anbauer
haben dazu ihre Gerstenproben schon viele Wochen
vorher hinterlegt. Diese werden dann von Fachleuten
anonym einer langwierigen sensorischen und chemischen
Analyse unterzogen und bewertet. Das gefundene Ergebnis wird als
Punktbewertung festgehalten. Daraus
ergibt sich dann die Zuteilung von Preisen und Auszeichnungen.
Dabei ist es interessant zu beobachten, wie ein
stolzes und zufriedenes Lächeln über die Gesichter der
Ausgezeichneten huscht. Bei frischem Bier aus der Eifel
und gutem Essen klingt ein solcher Tag in Fachgesprächen
über Sorten, Qualität und Marktsituation aus. Dabei
werden die Sorgenfalten tiefer, denn im Rahmen dessen,
was wir abstrakt mit dem Begriff Globalisierung umschreiben,
wissen die Bauern genau, dass trotz ihrer vielfältigen
Anstrengungen und Bemühungen auch bei der
Braugerste ein Preisverfall eingetreten ist, weil die Einkäufer
der Malzindustrie weltweit agieren. Ebenso hat
eine rigorose Bereinigung in der deutschen Brauereiwirtschaft
und Malzindustrie stattgefunden. Die Anforderungen
an Eiweißgehalt, Keimfähigkeit und Stammwürze
sind deutlich strenger geworden. Das alles hat zur Folge,
dass die Anbauflächen von Braugerste in der Voreifel auf
etwa 20 % der Anbauflächen von 1960 reduziert wurden.
Meiner Meinung nach bleibt die Frage offen, ob dies nun
alles dem Wohle des Verbrauchers zuträglich ist. Dessen
kann der Verbraucher sich allerdings sicher sein: Ein gut
gezapftes deutsches Bier, welcher Sorte auch immer, ist
ein Stück Genuss, ein altes Kulturgut, das fröhlich macht,
das die Menschen Verständnis, Offenheit und Toleranz
füreinander entwickeln lässt, es gehört, natürlich in Maßen,
zu unserem Leben. Ein bisschen Wehmut sollte einen
allerdings auch beschleichen, wenn man daran
denkt, dass die Gerste für das Malz vielleicht nicht mehr
in unserer schönen Voreifel gewachsen ist.
Quellenhinweise:
Dr. Schlitt: Aus der Arbeit
der Landwirtschaftsschule und der Wirtschaftsberatungs- stelle
Düren, 1967
Dr. Siebeneick: 150 Jahre
Landwirtschaft im Kreise Düren, 1967
Prof. Dr. G. Fischbeck: Der
Braugerstenanbau in der Voreifel, Univ.
Bonn,
Erschdt. unbek.
Jakob Gerhards: Beiträge zur
Vor- und Frühgeschichte des Dürener
Landes, 1960
Römisch-Germanisches
Zentralmuseum, Mainz, Bd. 25. 1974, Führer
zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern
Archiv des Geschichtsvereins
Wollersheim e.V.
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