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Deutsche
Kriegsgefangene räumten Minen
(von Hans Henn)
Vor 60 Jahren war noch
auf schwarzen Schildern mit roter Aufschrift zu lesen "Danger mines"
und darunter das deutsche Wort "Minen". Diese gefährliche
Hinterlassenschaft der Deutschen und Amerikaner galt es zu beseitigen.
Zunächst
bargen amerikanische Truppen einen Teil der Sprengkörper. Später
mussten frühere Parteigenossen Munition einsammeln, und zuletzt
erschienen Minenräum- kompanien. Aus dem Kreis der Kriegsgefangenen,
die für eine Entlassung keine Heimatadresse angeben konnten oder
wollten, bildeten die Engländer Kampf- mittelräumeinheiten.
Der ehemalige Minenräumer Gert Posnien besuchte am 12. August 2006
Wollersheim noch einmal. Er berichtete detailliert über seinen
Aufenthalt im Dorf. Weitere Auskünfte gab uns der ehemalige Minensucher
Reinhard Lorenz. Die fundiertesten Informationen durften wir dem
Tagebuch des Oberstleutnants Kurt Weber entnehmen, das uns seine
Tochter, Frau Erna Moskal, dankenswerter- weise zur Verfügung stellte.
Oberstleutnant Kurt Weber hatte sich aus dem Kriegsgefangenenlager
freiwillig für diese Arbeit gemeldet und wurde Chef der „Mine Clearance
Service Group 952", die aus 350 Mann bestand. Die Dienstgruppe wurde am
21. April 1947
aus dem Raum Hannover nach Krefeld verlegt. Hier begann
die Ausbildung. Herr Posnien, der in Holland in Kriegsgefangenschaft
geraten war, nahm an dem Kurzlehrgang für Munitionsbeseitigung
teil. Herr Lorenz kannte als Pionier den künftigen
Aufgabenbereich, er stieß erst am Ende der Ausbildung
zu der Gruppe. Am 19. Mai erfolgte die Verlegung in die Eifel.
Die Minensuchtruppe war eingeteilt in Stab und vier Züge.
Stab und I. Zug unter Führung von Oberleutnant Horst von
Wachenhausen kamen nach Wollersheim. Der Stab zog in
die Schule. Die etwa 25 Mann des I. Zuges erhielten Quartier
im Saale Tollmann (heute "Zur Voreifel"). Die anderen Züge
verteilte man auf die Ortschaften Muldenau (Saal Becker),
Embken (Saal Dahmen) und Hergarten (Schule und Saal
Lauterbach). Im Saale Tollmann wurden Feldbetten aufgeschlagen.
Ein eigener Koch bereitete in einer Laube im Hof
der Gaststätte die Speisen zu. Die Verpflegung war sehr gut
und reichlich.
Die Aufgabe der Minenräumer bestand im Aufspüren und
Entfernen von Munition. Dafür stellten die Engländer ihre
Suchgeräte zur Verfügung. Trotzdem blieb der Dienst eine
Arbeit auf Leben und Tod. Das unter der Bezeichnung "Operation
Tappet" ausgewiesene Areal erstreckte sich von Vossenack
über Urfttalsperre und Froitzheim bis Odendorf. Das
Hauptarbeitsgebiet der Minensucher lag natürlich im Hürtgenwald.
Zu den Einsatzorten wurden sie mit englischen Lastkraftwagen
gebracht. Die Fahrzeuge standen im Hof der Familie
Peter Nagelschmidt (Stiftshof).
Neben der Minenräumung betrachtete Oberstleutnant Weber
als besonders wichtige Aufgabe das Auffinden von gefallenen
deutschen Soldaten. Von 23 Verstorbenen konnte er die
Angehörigen ermitteln und ihnen die Todesbenachrichtigung
überbringen.
Fanden die Minensucher einen gefallenen Engländer, musste
Herr Weber sofort seine übergeordnete Stelle in Aachen
Nr. l Mine Clearance Office H. Q. Britisch-Troops l. Belg.
Corps Area anrufen und den Fundort bezeichnen. Diese ließ
die Verstorbenen durch Engländer abholen. Die Männer, die
den Toten gefunden hatten, bekamen eine gute Belohnung,
200 Zigaretten und anderes.
Der Status der Minensucher war mehrdeutig. Einerseits galten
sie als Kriegsgefangene, andererseits erfolgte eine Bezahlung
als Spezialarbeiter mit Gefahrenzulage durch das
30. German Audit-Office in Lüneburg. Sie trugen feldgraue
Blousons ähnlich der englischen Militäruniformen und graue
Hosen. Im Umkreis von 10 Km, das aber niemand überwachte,
konnten sie sich frei bewegen und private Kontakte pflegen.
Örtliche Familien luden die Männer an Sonn- und Feiertagen
zum Essen ein. Dazu hatte Pfarrer Helmich die Dorfbevölkerung
aufgerufen. Zwischen den Dorfjungen und den Minensuchern
entwickelten sich Freundschaften, und am Wochenende
zog man gemeinsam über die Lande. Es wurde zusammen
Fußball gespielt. Für Auswärtsspiele stellte die Einheit
ihre Lastwagen zur Verfügung und transportierte die
Wollersheimer Elf in die umliegenden Orte. Bei handgreiflichen
Auseinandersetzungen, wie bei einer Schlägerei auf
dem Sportplatz Disternich, wirkten die Minenräumer tatkräftig
mit und verteidigten "ihre Mannschaft". Das Verhältnis zwischen
der Truppe und der Wollersheimer Bevölkerung war
freundschaftlich und unproblematisch.
Lediglich über einen unerfreulichen Vorfall gilt es zu berichten.
Einer der jungen Männer aus der Einheit vergriff sich an
einem Mädchen, das in Wollersheim als Haushaltshilfe tätig
war.
Seine "Kollegen" hielten in einer Art Selbstjustiz Gericht über
ihn, nachdem die junge Frau ihn identifiziert hatte. Sie banden ihn an
einen Gittermast in der Nähe des Saales vor der Gaststätte Tollmann.
Dann hingen sie ihm noch ein Schild
mit der Aufschrift "Ich bin ein Schwein" um. Danach wanderte
er in die Arrestzelle des Spritzenhauses. Herr Posnien und
andere Minensucher bewachten ihn abwechselnd. Was später
mit dem Bösewicht geschah, ist nicht mehr zu ermitteln.
In der damaligen Zeit waren Kraftstoffe, Autoreifen und
Werkzeuge Mangelware. Die Engländer belieferten die Minensuchtruppe
großzügig. Betankt wurden die Wagen an
deutschen Tankstellen in Köln, Bonn oder Aachen, und das
geschah wohl sehr oft. Durch die gute Versorgung bzw. Überversorgung
ließ sich ein schwunghafter Tauschhandel betreiben.
Am 23. Juli 1947 konnte Oberstleutnant Weber den Abschluss
der Minen- arbeiten in Aachen melden. Die offizielle
Abschiedsfeier fand am 9. August 1947 in einem Saale in
Sinzenich mit Essen, Starkbier und 20 englischen Zigaretten
für jeden statt.
Herr Posnien erhielt in der Riemann-Kaserne Düren seine
Entlassungsurkunde zum 31. Juli 1947. Im Laufe des August
entließen die Engländer die übrigen Minenräumer. Für die
Letzten endete die Kriegsgefangenschaft am 28. August
1947
Vor dem Mineneinsatz betrachteten sich die Männer als
Himmelfahrtskommando.
Die Einstellung änderte sich im Laufe
der Wochen. Zum Schluss waren sie stolz auf die geleistete
Arbeit, hatten sie doch in kurzer Zeit ca. 2.000 Minen unter
Einsatz ihres Lebens unschädlich gemacht und rund 13 Millionen
Quadratmeter an Ackerland und Wald von Sprengkörpern
befreit. Herrn Weber war es durch seine Umsicht und
seinen eigenen Einsatz an besonders gefährlichen Stellen zu
verdanken, dass bei der Arbeit niemand zu Tode gekommen
war.
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