Nr. 58 / Oktober 2009
 

Leve Jott jeff os Wasse

 
(von Hans Henn)

So oder ähnlich dürften die Wollersheimer über Jahrhunderte gebetet haben. Ein Beweis dafür ist wohl die jährliche Segnung des Dorfbrunnens am Pützberg. Die Bevölkerung bringt so ihren Dank zum Ausdruck, dass dieser Brunnen auch bei großer Trockenheit stets Wasser führte.

Vielerorts glichen Dorfbrunnen über Jahrhunderte während der Trockenmonate eher Kloaken als Frischwasserspendern. Hausbrunnen lieferten häufig schlechtes Trinkwasser, denn oft befanden sich in unmittelbarer Nähe Jauchegruben und Misthaufen.

Seit Menschengedenken war die Wasserversorgung für Mensch und Tier mit erheblichem Aufwand verbunden. Der durchs Dorf fließende Bach konnte als Viehtränke genutzt werden. Für die oft großen Familien musste reines Wasser täglich herangeschleppt werden.

Um 1900 begann für Wollersheim eine neue Ära. Das Dorf erhielt eine Wasserleitung. Der Bau dürfte 1898 begonnen worden sein. Das genaue Datum der Inbetriebnahme der Wasserleitung kennen wir nicht. Auf Grund von Presseberichten, der erste spricht auch die örtliche Situation an, müssen wir das Jahr 1900 annehmen.

Die Dürener Volkszeitung berichtete am 5.1.1898:


"Wollersheim, Unsere bisherigen sehr misslichen Wasserverhältnisse werden Dank den eifrigen Bemühungen unserer Gemeindeverwaltung nunmehr sehr günstige werden. Es sollen nunmehr die Arbeiten für die geplante Wasserleitung schon in nächster Zeit in Angriff genommen werden. Im verflossenen Jahre wurden auf der Vlattener Gemarkung an verschiedenen Stellen Bohrungen vorgenommen und man fand schließlich 2 Quellen, welche, was höchst erfreulich ist, ihre ursprüngliche Wasserstärke behalten haben. Die beiden Quellen befinden sich auf dem Rittergute des Baron von Gagern. Das Wasser derselben wurde chemisch untersucht und hierbei als sehr vorzüglich befunden. Das Gefälle des betreffenden Geländes ist bereits abgemessen und sollen die Vorarbeiten zur Legung der Leitungsrohre demnächst begonnen werden. Die Besitzer der betreffenden Grundstücke haben auf eine Anfrage der Verwaltung die Vornahme der Grundarbeiten betreffend eingewilligt, wenn ihnen bei eintretendem Schaden Entschädigung gegeben wird."


Ein Zeitungsartikel aus 1901 lautete: 


Wollersheim, 16. Mai. Der Provinzialausschuß der Rheinprovinz hat in seiner gestrigen Sitzung der Gemeinde Wollersheim als Beihülfe für die bereits fertiggestellte Wasserleitung1000 M. bewilligt.


Wie aus der Pressenotiz vom 5.1.1898 hervorgeht, bezog man das Wasser aus der Gemarkung Vlatten. Der damalige Eigentümer der Parzelle, Ernst Freiherr von Gagern ließ am 6.2.1902 seine Erklärung beurkunden, wonach der Gemeinde Wollersheim das Recht zusteht, Quellwasser zu entnehmen und nach Wollersheim abzuleiten. Um für alle Häuser des Dorfes einen guten Wasserdruck zu erreichen, baute man auf dem Pützberg einen Sammelbehälter mit ca. 148 cbm Inhalt. Das Quellgebiet in Vlatten lag einen Meter über dem Hochbehälter Pützberg. Dadurch floss das Wasser in normalem Gefälle zum Pützberg.

Für die Verlegung der Leitungsrohre stellten die Landwirte die Parzellen kostenlos zur Verfügung. Sie erwarteten lediglich einen Ersatz für entstandene Schäden. Die Bauern verbürgten sich sogar für die Bezahlung der gesamten Wasser- versorgungsanlage.
Der Bau der Wasserleitung stellte damals eine Gemeinschaftsaufgabe für die gesamte Bevölkerung dar, an der sich niemand auf Kosten der Allgemeinheit bereichern wollte. Welche Großherzigkeit im Gegensatz zu dem Verhalten einzelner Mitbürger heute, die bei Bedarf der öffentlichen Hand Forderungen stellen, die von rücksichtslosem Egoismus zeugen.

Fließendes Wasser bis in die Häuser hinein bedeutete für die Menschen einen Riesenfortschritt. Die meisten Haushalte ließen zwei Zapfstellen installieren. Einen Wasserhahn brachte man am Ausgussstein in der Küche an und einen zweiten im Hof oder Stall für die Versorgung des Viehs. Den Luxus eines Badezimmers oder Wasserklosetts kannte man um 1900 noch nicht.

Die ursprünglich angenommene Wassermenge der Vlattener Quellen erwies sich im Laufe der Zeit nicht als krisenfest .In warmen und regenarmen Sommern Anfang der 1930er Jahre kam aus Vlatten so wenig Wasser, dass die Gemeinde zum Sparen aufforderte. 1934 versiegten die Quellen, Wasser für den Haushalt musste am Dorfbrunnen geholt werden. Aber auch der lieferte nicht immer genug.
Die Wollersheimer holten deshalb in Kesseln, Kannen und Fässern Wasser in Embken, Vlatten, insbesondere an der Quelle im "Kanteboa" an der Gödersheimer Mühle. (Infolge Beweidung der Parzelle ist diese Quelle heute leider verschwunden und nur noch als Nassgebiet erkennbar.) Wasser für das Vieh schaffte man vom Bach herbei oder trieb die Tiere dorthin zur Tränke. Im Februar/März 1935 waren die Niederschläge so ergiebig, dass der Zufluss aus Vlatten wieder einsetzte und sich das Sammelbecken auf dem Pützberg füllte.

Um dem zeitweiligen Wassernotstand abzuhelfen, mussten zusätzliche Quellen erschlossen werden. In der Gemarkung Im Bruch, einem Quellgebiet des Neffel- baches, wurde man fündig. Es wurden drei Gruben per Hand ausgehoben. Die Tiefe war so groß, dass das Erdreich über mehrere Etagen nach oben befördert werden musste. Heinrich Harscheidt pumpte das ständig nachsickernde Wasser mit seiner Lokomobile ab. Zeitweilig waren dafür zwei Pumpen im Einsatz. Das saubere Wasser wurde von der Brauerei Cramer in großen Metallfässern zum Betrieb gebracht und zum Brauen und Spülen verwendet.

Am 20.11.1934 beschloss der Gemeindrat die Auftragsvergabe für das Pumpenhaus in den Bruchbenden. Im Frühjahr konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden.
Bei der schlechten Haushaltslage der Gemeinde - die Einnahmen und Ausgaben im ordentlichen Haushalt betrugen je 23.200,-- RM, der außerordentliche Haushalt belief sich auf 41.000,-- RM - war eine Finanzierung aus eigenen Mitteln nicht möglich. Die Gemeinde nahm daher bei den Vereinigten Brauereien Nagelschmidt und Cramer AG in Wollersheim ein Darlehen von 23.000,-- Reichsmark auf. Im Laufe der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass die veranschlagte Summe nicht ausreichte. Nachdem die Kostenbeteiligung staatlicher Stellen vorlag, wurde der Kredit bei der Brauerei auf 31.000,-- RM erhöht.
Von dem neuen Pumpenhaus in den Bruchbenden war eine Transportleitung zum Hochbehälter auf dem Pützberg zu bauen. Der Graben für die Rohre wurde in Handarbeit ausgehoben und später wieder verfüllt. Vor der Inbetriebnahme musste die Leitung vom höchsten Punkt aus mit Wasser gefüllt werden. Diese Aufgabe übernahmen die örtlichen Landwirte. Sie transportierten das erforder- liche Wasser mit Fässern zum Pützberg.

Nachdem die Pumpstation in den Bruchbenden ihre Arbeit aufgenommen hatte, und auch aus Vlatten weiterhin Wasser zum Hochbehälter floss, war die Wasser- versorgung für Wollersheim endlich gesichert.
Leider endete dieser Idealzustand schon nach rund 10 Jahren, und zwar in den Kriegsmonaten 1944/45. Bei den Kämpfen um das Dorf traf eine Granate die Zuleitung aus Vlatten wenige hundert Meter vor dem Hochbehälter. Auch das Pumpenhaus mit den maschinellen Einrichtungen wurde beschädigt, außerdem brach die Stromversorgung zusammen.

Nach Kriegsende, in den Sommermonaten des Jahres 1945 reparierte der Schmiedemeister Josef Wolf mit einigen Männern die Wasserleitung. Er brachte auch die Pumpstation wieder in Ordnung, so dass die Bewohner bald wieder ihre häuslichen Wassereinrichtungen nutzen konnten.
Ab Anfang der 1950er Jahre stieg der Wasserverbrauch stark an, und es erhöhten sich die Bewirtschaftungskosten. Das inzwischen über 50 Jahre alte Leitungsnetz musste saniert werden. Am Pumpenhaus in den Bruchbenden waren noch nicht alle Kriegsschäden beseitigt. Zahlreiche Splittereinschläge machten eine Dach- neueindeckung notwendig. Eine Einschussstelle im Mauerwerk musste geschlossen werden.
Die bisher erhobenen Pauschalgebühren unabhängig vom tatsächlichen Wasser- verbrauch waren nicht mehr kostendeckend. Der Gemeinderat befasste sich am 30.3.1954 erstmalig mit der Frage einer gerechteren Lastenverteilung nach dem tatsächlichen Verbrauch. Nach heftigen Debatten gelangte man zu der Erkenntnis, dass dies nur über die Installierung von Wasserzählern zu erreichen war.

Ab Ende 1955 begann der Schmiedemeister Josef Wolf mit dem Einbau der Messgeräte, so dass ab 1.4.1956 die Gebühren nach dem durch Wassermesser nachgewiesenem Verbrauch erhoben wurden. Die Zählermiete betrug monatlich 0,50 DM und die Verbrauchsgebühr 0,20 DM je cbm.

Die Quellen in den Bruchbenden förderten so viel Wasser, dass ab Anfang der 1950er Jahre auf das Wasser aus Vlatten weitgehend verzichtet werden konnte. Außerdem beanstandete der Kreisarzt die dortige Brunnenanlage und forderte eine Chlorung des Wassers. Trotz dieser Maßnahme verschlechterte sich die Qualität stetig. Letztlich war die Gemeinde Vlatten auf Hilfe aus Wollersheim angewiesen. Am 1.6.1954 beschloss der Gemeinderat, Wasser zum Preis von 0,30 DM je cbm nach Vlatten zu liefern.

Ende 1961 stellte das Landeskrankenhaus - Zweigstelle Wollersheim - den Antrag, an die Wassergewinnungsanlage der Gemeinde angeschlossen zu werden. Die bisher selbst betriebene Wasserversorgung lieferte nur eine schlechte Qualität. Die Ratsvertreter beschieden den Antrag positiv unter der Voraussetzung, dass der Gemeinde keine zusätzliche finanzielle Belastung entsteht. Das sagte der Landschaftsverband zu und übernahm alle Kosten. Am 13.7.1965 wurde das Landeskrankenhaus an die Zentralwasserversorgung der Gemeinde angeschlossen. Auch die Familie Kerp in der Gödersheimer Mühle erhielt einen Hausanschluss.

1965 erschloss die Gemeinde Wollersheim neue Baugebiete. Dadurch wurden Erweiterung und Erneuerung der Wasserversorgungsanlagen notwendig. Die Wassergewinnungsanlage, das Rohrnetz und der Hochbehälter entsprachen nicht mehr den technischen und hygienischen Erfordernissen. Die Sanierungskosten wurden mit rund 675.000,-- DM veranschlagt.

Zum gleichen Zeitpunkt beanstandete der Kreisarzt die Wasserqualität der Orte Bürvenich und Langendorf und forderte eine Stilllegung der Quelle in Berg (Floisdorf). Abhilfe konnten nur die Wollersheimer Quellen bringen. Die Kosten für die entsprechenden Baumaßnahmen lagen bei 520.000,-- DM.

Um die finanzielle Belastung für alle Dörfer in erträglichen Grenzen zu halten und die technischen Erfordernisse optimal aufeinander abzustimmen, bot sich ein Zweck- verband an.

Nach langen und schwierigen Verhandlungen gründeten Wollersheim, Berg- Thuir, Bürvenich und Langendorf zum 1.7.1967 den "Wasserleitungszweckverband Gödersheim".

Das Wasserwerk Wollersheim gab damit seine Selbständigkeit auf.




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