Die Neue Kirche in Wollersheim  (Teil 1)

Unsere Kirche feiert in diesem Jahr ein rundes Jubiläum !
Vor 100 Jahren wurde unsere „Neue“ Kirche nach einer Bauzeit von nur knapp vier Jahren durch Weihbischof Dr. Müller auf den Titel „Auffindung des heiligen Kreuzes“ geweiht und offiziell ihrer Bestimmung übergeben.

Unsere Pfarrgemeinde nimmt das Jubiläum zum Anlass, wieder an den verstorbenen großherzigen Stifter Josef Schmidt zu erinnern, ihm für das weithin sichtbare Gotteshaus zu danken, das jetzt, nach einer langjährigen und umfangreichen Reparatur der Kriegsschäden, wieder in voller Pracht erstrahlt.

Zwischen dem Tode des Stifters (1869) und der Einweihung der Kirche (1904) mussten fast 35 Jahre ins Land gehen, bis das große Backstein-Gebäude in Norddeutscher Gotik fertiggestellt war. Unser Dorf hatte danach auf dem sogenannten „Plon", einer früheren Baumwiese mitten im Ort, ein für damalige Verhältnisse großes repräsentatives und weithin sichtbares Gotteshaus. Die protokollierte Endabrechnung der Baukosten betrug 1904 rund 125.000 (Gold-)Mark, ein Bruchteil dessen, was die später anfallenden Reparaturkosten ausgemacht haben. Mit seinem 54 Meter hohen Glockenturm überragt das Gebäude noch heute alle Kirchen im ganzen Umkreises.

Der Wunsch in der Gemeinde nach einer neuen Kirche geht möglicherweise bis in die Zeit zurück, als nach einem katastrophalen Blitzeinschlag 1819 der Turm der alten Kirche wieder für viel Geld repariert und aufgebaut werden musste. An eine neue Kirche zu denken war, wegen der fehlenden Geldmittel, damals unmöglich.


Eine neue Kirche wird immer notwendiger.
Der Wunsch nach einer größeren Kirche hatte mehrere Gründe. Nach der 1806 verordneten Übernahme der Filialkirche Pissenheim (heute Muldenau) stieg der Platzbedarf in der alten Kirche mit steigender Tendenz dramatisch an. Für die beengten Verhältnisse war wohl auch die überdurchschnittlich starke Bevölkerungsentwicklung nach Abzug der französischen Besatzung (1815) verantwortlich. Alleine in der Zeit zwischen 1817 und 1858 stieg die Einwohnerzahl von Wollersheim von 339 auf 531. Diese Entwicklung war sicherlich auch ein Grund dafür, warum innerhalb von 20 Jahren der Bau von zwei neuen Schulgebäuden (1841 und 1868) notwendig wurde (114 Schulkinder).

Eine großartige Schenkung wird angekündigt.
Der Wunsch nach einer neuen Kirche scheiterte zwar immer noch an den nötigen Mitteln; allerdings hoffte man auf großzügige Spender. Erst nachdem Josef Schmidt aus Wollersheim sein Testament 1867 machte und verfügte, dass nach seinem Tode der größte Teil seines Vermögens für den Bau einer neuen Kirche verwendet werden sollte, stieg in den nächsten Jahren die Erwartung, langsam mit einem Neubau beginnen zu können. Josef Schmidt war Junggeselle. Als Letzter seiner Familie bewirtschafteten er und seine Gehilfen einen großen Bauernhof in Wollersheim auf der Bachstrasse (heute Hof Albert Schmitz).

Baugrundstück.
Schon 1868 musste schnell gehandelt werden. Der in finanzielle Schwierigkeiten geratene Inhaber des Fronhofes wollte oder musste verschiedene Grundstücke in der Nähe seines Hofes verkaufen. Unter anderem stand auch eine Baumwiese (Bongert) mitten im Dorf zum Verkauf an. Der Kauf musste möglichst schnell und geräuschlos getätigt werden, um das Grundstück, das wegen seiner Lage für den Standort einer neuen Kirche bestens geeignet war, vor anderen Käufern und vor der Parzellierung zu sichern.

Obwohl Josef Schmidt (+1869) noch lebte, der Erbfall also noch nicht eingetreten war und der Schulneubau (heute Zehnthofstrasse 60) Vorrang hatte, sprang die Zivilgemeinde in einer Blitzaktion ein und kaufte das Grundstück zu einem relativ günstigen Preis von 500 Thalern. Dass die Zivilgemeinde kurz entschlossen den Kauf tätigte, war Bürgermeister Adolf Kilian Herhahn zu verdanken. Adolf Kilian Herhahn war damals auch Vorsitzender des Kirchenvorstandes. Für eine kurzfristige Transaktion fehlten der Pfarre damals offensichtlich die nötigen finanziellen Mittel. Jedenfalls handelte der Bürgermeister schnell, auch ohne die erforderliche Genehmigung des Landrates in Düren. Die behördliche Genehmigung wurde später mit entsprechender Erklärung nachgeholt. Ein Nebenaspekt der Intervention durch die Zivilgemeinde war sicherlich auch, dass der Bürgermeister über den Besitz des Grundstückes den künftigen Baubeginn der Kirche beeinflussen konnte. Sein besonderes Anliegen war, die Angehörigen der Zivil- und der Pfarrgemeinde (beide fast identisch) vor höheren Abgaben zu schützen und die Belastungen durch die Baumaßnahmen zeitlich zu strecken.


Erbfall.
Erst nach dem Tode von Josef Schmidt am 13. Oktober 1869 konnte die Pfarrgemeinde von ihrem Erbe formal Besitz ergreifen. Am Anfang war es allerdings schwer, das erhaltene Erbe, das aus einem funktionsfähigen Bauernhof bestand, in frei verfügbares Bargeld umzuwandeln. Bereits 1871 wurde zweimal ein Notar beauftragt, den Nachlass gerichtlich zu versteigern. Das Bargeld wurde vielfach „zwecks Vermehrung des Kapitals“ in den Kreisen Düren und Euskirchen lebhaft auch an Ortsfremde verliehen. In entsprechenden Zeitungsanzeigen machten Kirchenvorstand und Kirchenrendant für ihre Geldgeschäfte Reklame.
Wie es scheint, ruhten bis in die Mitte der 80er Jahre die Baupläne. Ob der Kulturkampf oder die fehlenden Geldmittel dafür ausschlaggebend waren, ist nicht bekannt. Aus einem Visitationsprotokoll von 1875 geht hervor, dass sechs Jahre nach dem Tod des Stifters, das ganze Vermögen noch nicht in disponibles Kapital umgewandelt werden konnte. Sicherlich war auch der alte und schwerkranke Pfarrer Wirtz nicht mehr in der Lage, diese Probleme zu realisieren.


Neuanfang
Als 1886 im Alter von 77 Jahren der langjährige Pfarrer Wilhelm Wirtz stirbt, kann erst ein Jahr später - wegen des damaligen Kulturkampfes - der 45jährige Friedrich Schulte zu seinem Nachfolger ernannt werden. Schon kurze Zeit nach seiner Ernennung übernimmt der neue „Pfarrer“ die Initiative und aktiviert wieder die Baupläne. Offiziell kann Friedrich Schulte erst im August 1888 sein neues Amt antreten. Schulte scheint ein guter Kenner des Kirchenrechts und ein guter Taktiker gewesen zu sein. Jedenfalls bringt er in kurzer Zeit den Kirchenvorstand dazu, eine Reihe grundsätzlicher Beschlüsse hinsichtlich einer neuen Kirche zu machen.
Schon im Januar 1888 bittet der Kirchenvorstand formal und schriftlich die Zivilgemeinde, den immer noch in ihrem Besitz befindlichen Bauplatz frei und unentgeltlich auf die Pfarrgemeinde zu übertragen. Begründet wird der Antrag damit, dass der Stiftungsfonds zu klein wäre, um damit eine schöne geräumige Kirche mit Mobiliar bauen zu können. Natürlich lehnt der Gemeinderat den Antrag als unannehmbar ab.


Grundsatzbeschluss.
Keine drei Monate später fasst der Kirchenvorstand den Beschluss, eine neue Kirche zu bauen. Der Kirchenvorstand will: „einen Plan und einen Kostenvoranschlag anfertigen lassen, sich mit einem erfahrenen Architekten in Verbindung setzen und die neue Kirche aus Bruchsteinen verfertigt lassen“. „Die neue Kirche soll auf dem Bauplatz, der noch der Zivilgemeinde gehört, errichtet werden“. „1889 sollen die Fundamente gelegt werden und nach einer Wartezeit von 3 Jahren soll der weitere Aufbau 1892 fortgesetzt werden“.



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Neue Kirche (Teil 2)